Veranstaltung: | Sommer-Landesmitgliederversammlung 2018 der GRÜNEN JUGEND NRW |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | Mitgliederversammlung (dort beschlossen am: 15.07.2018) |
Status: | Abgelehnt |
Beschlossen am: | 15.07.2018 |
Eingereicht: | 10.08.2018, 09:17 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V2-Ausgearbeitet: Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen!
Antragstext
Alle sind für Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und mehr Zeit für Wichtiges.
Entsprechende Initiativen, die daran was verbessern wollen kommen jedoch an
scheinbar unüberwindbare Grenzen. Das liegt an einem Wirtschaftssystem, das nur
funktioniert, wenn alles dem Wachstum, der Arbeit und dem Profit unterworfen
ist. Diese Logik steht der Realisierung einer ökologisch, ökonomisch und sozial
nachhaltigen Gesellschaft im Weg. Aus einer grün-linken Perspektive sollte
demnach kein Zweifel daran bestehen, dass die Forderung nach Nachhaltigkeit mit
einer Kapitalismuskritik einhergehen sollte. Auch wenn Reformen eine
aufschiebene Wirkung haben, können sie jedoch langfristig die Ursachen nicht
beseitigen. Daher fordern wir den Fokus mehr auf die Überwindung des
Kapitalismus zu legen.
Ein wesentliches Merkmal, welches das gegenwertige Wirtschaftssystem bestimmt,
ist der selbstauferlegte Zwang zum Wachstum. Gemeint ist nicht das Wachstum von
Wohlstand oder Qualität der Lebensbedingungen und produzierten Güter, sondern
die in Geld gemessene Wirtschaftsleistung (BIP). Schon 1972 kommt der Club of
Rome zu dem Schluss, dass das Wachstum an die Grenzen kommen wird. Jede
Warenproduktion verbraucht Stoffe und Energie und deshalb bedeutet eine
steigende Wirtschaftsleistung zwangsläufig auch einen wachsenden
Ressourcenverbrauch. Jedoch ist unendliches Wachstum auf einem Planeten mit
endlichen Rohstoffen nicht möglich. Die Ressourcen werden knapper. Zudem ist das
marktwirtschaftliche Wachstum auch verantwortlich für den wachsenden
SchadstoffAusstoß und die ansteigende Abfallproduktion und damit auch für den
Klimawandel und die Verschmutzung der Meere etc.
Konzepte wie „grünes Wachstum“ und „Green New Deal“ wollen die Gegensätze
zwischen Umweltschutz und Wirtschaftswachstum aufheben. Der Rohstoffverbrauch
soll vom Wachstum entkoppelt werden. Ein umweltverträgliches nachhaltiges
Wachstum soll mithilfe von Umwelttechnologien verwirklicht werden. Ein Ansatz
dafür ist die Steigerung der Energie- und Rohstoffeffizienz. Der gleiche Output
an Gütern soll mit immer weniger Input an Energie und Rohstoffen erfolgen.
Allerdings verlieren die Einsparungseffekte ihren Nutzen, wenn die durch die
Ressourceneinsparung freiwerdenden Investitonsmittel die Gesamtproduktion weiter
ansteigen lassen. Dies nennt sich "Rebound-Effekt". Die Ressourceneinsparungen
in der konventionellen Autoproduktion z.B. bringen wenig, wenn immer mehr Autos
produziert werden, welche mit veralteten Brennstoffzellen betrieben werden.
Durch die Ausdehnung der Produktion, wird der positive Umwelteffekt deutlich
reduziert, oder es wird in einem anderen Produktionsbereich mit niedriger
Ressourceneffizienz investiert, was die Umwelt noch mehr belastet. Ein weiterer
Ansatz ist die Substitution. Dabei geht es in der Regel darum, Energieträger
durch solche zu ersetzten, die eine geringere Umweltbelastung, höhere Effizienz
oder niedrigere Kosten, haben. Allerdings kann diese Strategie zu kurz greifen.
Sie reduziert zwar Umweltbelastungen, allerdings stößt sie an ihre Grenzen,
solange die Energieträger nicht erneuerbar, nachhaltig und unerschöpflich
verfügbar sind.
Ein weiterer Ansatz ist Internalisierung externer Kosten, wie die Ökosteuer. Der
Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen soll besteuert werden, sodass
ökonomische Anreize für umweltschonende Aktivitäten gesetzt werden. Jedoch führt
dies zu einem unlösbaren Dilemma. Entweder ist es ökologisch erfolgreich und ein
Finanzierungsproblem, oder umgekehrt. Wenn der Rohstoffverbrauch sinkt, dann
sinken auch die Steuereinnahmen. Wenn es Steuereinnahmen gibt, dann hat sich für
die Umwelt nichts verbessert. Zudem besteht die Gefahr, dass energieintensive
Branchen abwandern, was zu Arbeitsplatzverluste und damit zu verschärften
Krisentendenzen führt. Außerdem trifft die Ökosteuer vor allem
einkommensschwache Haushalte.
Es ist absurd, dass das Wachstumsparadigma als Lösung statt als Ursache für
soziale und ökologische Probleme betrachtet wird. Es wird versucht mit denselben
Methoden die zerstörerischen Folgen des Kapitalismus zu beseitigen, mit denen
sie erst hervorgebracht wurden. Das oberste Ziel ist weiterhin die
Wettbewerbsfähigkeit sicher zu stellen. Der darin eingebaute Zwang zur
Konkurrenz um die beste Kapitalverwertung bei gleichzeitig unendlichem Wachstum
wird nicht hinterfragt. Ökologisch wäre es stattdessen die Produktion in einigen
Bereichen einzustellen (Verpackung, Automobilindustrie etc.). Solange das
Verbrauchsniveau nicht gesenkt wird, werden alle Bemühungen scheitern.
Wenn man Wachstum als Problem erkennt, dann kommt man vielleicht zu der
Schlussfolgerung, dass das Wachstum einfach gestoppt werden sollte.
Vertreter*innen der Postwachstumsbewegung, wie Niko Paech, wollen einen
Kapitalismus ohne Wachstum. Es soll eine Regionalwährung geben damit auf lokaler
Ebene gehandelt wird. Dazu soll der Zins als vermeintlicher Treiber des
Wachstums abgeschafft werden (Dies widerspricht allerdings der Empirie, in der
niedrige Zinsen die Wirtschaft stattdessen ankurbeln). Diese Zinskritik ist wie
die Kritik an Kapitalist*innen anschlussfähig für antisemitische
Erklärungsmuster. Diese lehen wir entschieden ab. Gern wird auch an das
Individuum appelliert, das weniger konsumieren soll. Das wäre dann kein
Verzicht, sondern Befreiung vom Überfluss. Wenn genug Konsument*innen streiken,
dann würde die Wirtschaft aufhören zu wachsen Die Verlagerung von Verantwortung
vom System auf das Individuum lehnen wir ab.
Ebenso lässt sich nicht einfach so auf das Wachstum verzichten. Die Alternative
zum Wachstum ist nicht Stabilität, sondern Niedergang. Eine stagnierende
Wirtschaftsleistung oder die bloße Erwartung einer Stagnationsphase führt zu
einem Rückgang von Neuinvestition. Investiert wird nur wenn Gewinne zu erwarten
sind. Ohne Investitionen bricht jedoch die Wirtschaft zusammen. Es gibt dann
weniger Aufträge, sodass Firmen gezwungen sind Mitarbeiter*innen zu entlassen.
Mehr Arbeitslosigkeit führt zu weniger Konsumausgaben. Die Nachfrage bricht ein,
Firmen gehen pleite, mehr Mitarbeiter*innen werden entlassen. Es verläuft in
eine Abwärtsspirale.
Um den Wachstumszwang zu überwinden, muss das Problem an der Wurzel angepackt
werden und zwar an der kapitalistischen Produktionsweise. Die Triebkraft des
Kapitalismus ist dabei die Kapitalvermehrung. Ziel der Produktion ist es aus
Geld mehr Geld zu machen. Um im Konkurrenzkampf zu überleben muss der Profit
maximiert und endlos akkumuliert werden. Dabei ist es egal was der Inhalt und
die Konsequenzen der Produktion ist. In diesem Prozess ist das Wachstum angelegt
und auch die damit einhergehende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen.
Diese Dynamik hat sich dabei gegenüber dem Menschen verselbstständigt und die
abstrakte Herrschaft des Kapitals tritt als Sachzwang auf, was systemimmanente
Bestrebungen erschwert. Wir stellen dabei klar, dass sich die GRÜNE JUGEND NRW
gegen jede Analyse stellt, die behauptet, dass mit der Überwindung des
Kapitalismus automatisch alle Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit
beseitigt seien.
Aus dem Anspruch von Nachhaltigkeit und der dargelegten Analyse folgt die
Notwendigkeit die gegenwertige Form des Wirtschaftens zu überwinden. Die
bestehenden Verhältnisse sind nicht naturgegeben und sollten hin zu einer
befreiten Gesellschaft transformiert werden. Einer Gesellschaft jenseits von
Markt und Staat, bei der Güter und Ressourcen gemeinschaftlich organisiert und
genutzt werden. In der Kooperation im Vordergrund steht, statt Konkurrenz. In
denen Menschen beitragen, statt tauschen und frei tätig sind, statt Lohnarbeit
nachzugehen. Bei der die Produktion nicht durch den Markt vermittelt ist,
sondern aus einer Selbstorganisation heraus, in der darüber frei entschieden
wird was, wie und wo hergestellt wird. Erst dann lässt sich eine nachhaltige
Gesellschaft verwirklichen. Der Diskurs über die Grundlagen dieser Utopie muss
weitergehen. Daher beauftragt die GRÜNE JUGEND NRW den Landesvorstand im
Hinblick auf den nächsten Schwerpunkt "Arbeit 4.0" Bildungs- und
Diskussionsangebote zur weiteren Debatte anzubieten.
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