Veranstaltung: | Sommer-Landesmitgliederversammlung 2018 der GRÜNEN JUGEND NRW |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 6 Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | Mitgliederversammlung (dort beschlossen am: 15.07.2018) |
Status: | Eingereicht |
Beschlossen am: | 15.07.2018 |
Eingereicht: | 10.08.2018, 09:13 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V1-Beschluss: Verkehrswende für die Luftfahrt konkretisieren
Antragstext
Im Zuge der Forderungen nach einer erfolgreichen und ökologischen Verkehrswende
setzt sich die Grüne Jugend NRW für ein neues Gesamtkonzept für den Flugverkehr
in Nordrhein-Westfalen, Deutschland und der Europäischen Union ein. Ziel unseres
Verbandes ist es eine gesamtgesellschaftliche Debatte über den Beitrag des
Flugverkehres zur Klimaerwärmung anzustoßen und diesen wichtigen Faktor aus dem
Schattendasein des Diskurses herauszuholen. Wir müssen uns kontrovers mit der
Frage auseinandersetzten wie wir negative Auswirkungen von Personen- und
Transportflugverkehr minimieren können.
Umweltschädliches Verhalten darf nicht weiter subventioniert werden. Die
steuerliche Bevorzugung im Flugverkehr beläuft sich allein in Deutschland auf
mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Die ungerechten Steuerprivilegien gehören als
Teil einer ökologischen Finanzreform abgeschafft. Nach jahrzehntelangen
bundespolitischen Vorstößen zur Erhebung einer Kerosinsteuer soll diese nun
endlich eingeführt und sich zusätzlich für eine Regelung auf europäischer Ebene
eingesetzt werden. Eine bundesweite Regelung soll sich am Beispiel der
Niederlande orientieren und nicht nur dann eingeführt werden, wenn es ebenso
eine europäische Regelung geben wird. Die Landesregierung NRW soll dazu
Vorschläge im Bundesrat initiieren oder unterstützen.
Weltweit beschloss allein die EU den Flugverkehr in den Emissionsrechtehandel
miteinzubeziehen. Allerdings wurden außereuropäische Fluggesellschaften nicht
verpflichtet daran teilzunehmen, weil diese damit drohten den europäischen
Luftraum zu boykottieren. Die Grüne Jugend NRW findet, dass dies nicht mehr
hinnehmbar ist, eine Revision dringend geboten ist und es ein effizientes CO2-
Zertifikate-System für den gesamten Europäischen Luftraum geben muss. Die Höhe
der Preise für die Zertifikate soll sich an den Klimafolgeschäden orientieren.
Des Weiteren setzt sich die Grüne Jugend NRW für eine Klimaabgabe für
Fluggesellschaften ein, um einen Beitrag für nachhaltige Mobilität zu leisten.
Diese könnten beispielsweise in einen Kompensations-Fond eingezahlt werden.
Daneben wird es ebenso zentral sein Projekte zur CO2-Kompensation zu
intensivieren und klimaschädliche Emissionen auszugleichen.
Die Welthandelsorganisation (WTO) hat die EU-Subventionen an Airbus als illegal
eingestuft. Dabei geht es um Wettbewerbsverzerrungen durch Förderungen von
nationalen Regierungen und EU-Zuwendungen, welche dadurch Produktionskosten und
Marktpreise künstlich reduzieren. Solch ein Urteil sollte nicht wieder zustande
kommen können. Die Grüne Jugend NRW spricht sich daher entschieden gegen
Anschubfinanzierungen und Kostenübernahmen für den konventionellen Flugverkehr
aus.
Ebenso werden überflüssige Regionalflughäfen durch Millionensubventionen
künstlich am Leben gehalten, welche teilweise auch die kommunalen Haushalte
unnötig stark belasten. Die Grüne Jugend NRW fordert daher eine nachhaltige
Bedarfsplanung für das Flughafennetz, welche Überkapazitäten, Lärm- und
Klimaschutz aber auch Entwicklungspotenziale und mögliche Synergie- und
Einsparungsmöglichkeiten in multimodalen Transport- und Logistikzentren
konsequent berücksichtigt. Bis dahin fordert die Grüne Jugend NRW einen Stopp
des Ausbaus von Flughäfen in Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik
Deutschland.
Im Kontext des Personenverkehrs fordert die Grüne Jugend NRW demgegenüber ein
modernes und hochfrequentiertes Nachtzugnetz für ganz Europa, um Reisenden eine
nachhaltige Alternative zum Fliegen innerhalb Europas zu ermöglichen.
Schnellbahn- und Regionalbahnstrecken müssen grenzüberschreitend besser vernetzt
und ausgebaut sein. Gerade für Nordrhein-Westfalen soll dabei auf eine weiter
verbesserte Anbindung an die Benelux-Staaten und Frankreich geachtet werden.
Die Grüne Jugend NRW begrüßt die verschiedenen ökologisch ausgerichteten
Forschungszweige im Luft- und Raumfahrtbereich und fordert mehr staatliche
Zuwendungen für diesen Sektor. Beispielhaft sind die Forschungen zu rein
biologischem Algen-Kerosin und den Versuchen durch Hybridflugzeuge den
Treibstoffverbrauch um weitere 20 bis 40 Prozent zu reduzieren. Die Grüne Jugend
NRW fordert, dass nur Projekte mit nachhaltigen Forschungsansätzen gefördert
werden. Als Vorbild sehen wir unter anderem Norwegen, welches nach dem
ökologischen Umdenken bei Autos, Fähren und Frachtschiffen nun angekündigt hat
auch auf elektrisches Fliegen bis 2040 umstellen zu wollen. Eine vollständige
Elektrifizierung für urbane Ultrakurz-, sowie altbekannte Kurz- und
Mittelstreckenflüge ist dabei die oberste Priorität für die Grüne Jugend NRW.
Ohne Elektro-Antriebe wird es nicht gelingen, die CO2-Belastung in einem
ausreichenden Maße zu verringern. Eine komplett-elektrisch betriebene
Flugzeugflotte ist wünschenswert, aber gerade bei Langstreckenflügen nur mit
sehr großen Anstrengungen vorstellbar. Realistisch ist es zunächst bei Kurz- und
Mittelstrecken die Flugzeuge schrittweise auszutauschen und die Erneuerung der
Flotte, welche in Europa mehrere zehntausend Maschinen umfasst, als eine
Generationenaufgabe zu verstehen. Dabei gilt es zunächst regionale
Flugverbindungen umzustellen und bei der urbanen Flugmobilität der Zukunft schon
zu Beginn auf eine vollständige Elektrifizierung zu setzen. Als Beispiel mit
Vorbildcharakter denken wir an elektrifizierte Lufttaxis von welchen erste
Modelle bereits für den deutschen Flugraum zugelassen sind. In der
längerfristigen Perspektive spricht sich die Grüne Jugend NRW für multi-modulare
Konzepte aus und befürwortet die Zusammenlegung von Bahnhöfen und weitgehend
klimaneutralen Flughäfen als Drehkreuze, welche beispielsweise über
Kapselmodelle den Schienen- und Flugverkehr kombinieren können.
Der Flugverkehr wie er heute technisch realisiert wird ist nicht zukunftsfähig
und gefährdet das Leben auf der Erde. Ob es in der Zukunft vollständig
klimaneutralen Flugverkehr geben wird ist trotz zahlreicher Fortschritte und
Pilotprojekte völlig offen. Das Risiko für das Leben auf der Erde ist zu hoch um
allein auf technologischen Fortschritt zu hoffen. Daher bedarf es eines
kulturellen Umdenkens in unserer Art und Weise zu reisen. Die Grüne Jugend NRW
setzt sich daher für einen Bewusstseinswandel ein. Flugreisen ans andere Ende
der Welt sind mit dem heutigen Stand der Technik nicht möglich ohne diese zu
zerstören. Überall wo es möglich ist sollte es unser gesamtgesellschaftliches
Ziel sein klimaschädlichen Flugverkehr zu vermeiden.
Begründung
Internationale Flüge gehören zum Lebensstil eines bedeutenden Teiles unserer Gesellschaft. Im Jahr 2017 verzeichnet das Statistische Bundesamt 117,6 Millionen Passagiere in Flügen, welche von deutschen Flughäfen starteten. Das jährliche Wachstum von +5,1 % hat sich nochmals gesteigert (Vorjahr: +3,4 %), während das interkontinentale Flugaufkommen mit 20,6 Millionen Passagieren eine Wachstumsrate von 8,4 % (Vorjahr: +0,5 %) vorweisen kann. Mit diesen Flügen geht ein immenser klimarelevanter Ausstoß von Treibhausgasen einher. Diese sind hauptsächlich Wasserdampf, Kohlendioxid und Stickoxiden. Doch in großen Flughöhen weisen diese Gase ein deutlich höheres Treibhauspotential auf. So verursacht ein Flug von Deutschland auf die Malediven und zurück pro Person einen klimarelevanten Beitrag von über fünf Tonnen CO2-Äquivalent. Allein diese Flugreise übersteigt das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen, welches bei einem klimarelevanten Beitrag von 2,3 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr liegt.
Hybridelektrische Flugzeuge werden Prognosen zu Folge voraussichtlich ab 2050 den Markt dominieren. Aufgrund des stetigen technologischen Fortschritts und einer höheren Auslastung modernerer Modelle ist der Spritverbrauch und deren Treibhausgasemissionen pro Passagier heute um rund ein Drittel im Vergleich zum Jahr 2000 gesunken. Parallel hat sich allerdings die Zahl der Flugkilometer im gleichen Zeitraum fast verdoppelt und insgesamt haben die Emissionen des Luftverkehrs deshalb deutlich zugenommen. Dieser Rebound-Effekt ist auch bei Hybridflugzeugen zu erwarten.
Immer mehr Prognosen sprechen von einem bevorstehenden oder drohenden Kollaps in der Luftfahrt. Dies begründet sich in fehlgeleiteten und rückwärtsgewandten Subventionen, Ausnahmeregelungen und zunehmenden Flugraten. Der Rückgang der diesen Prozess begünstigenden vergleichsweise billigen Preise beruht dabei auf geringeren Kosten für Herstellung und Wartung der Flugzeuge, der Liberalisierung des Luftverkehrs seit den 80er Jahren, dem Aufkommen von Billigfluglinien und dem sogenannten Fliegen zu Taxi-Tarifen, dem Anstieg der Kaufkraft durch allgemeines Wirtschaftswachstum, einen anwachsenden Massentourismus der Mittelschicht (besonders im asiatisch-pazifischen Raum) und der Nichteinberechnung von externen Effekten in die Flugpreise.
Die negativen Auswirkungen des Flugverkehrs auf unser Ökosystem steigen rasant an und bedürfen daher einer schnellen und umfassenden politischen und gesellschaftlichen Steuerung, um die Klimaziele nicht zu verfehlen und überholte Strukturen nicht weiter zu verfestigen.
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