| Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Herbst 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 8 Verschiedene Anträge |
| Antragsteller*in: | Landesvorstand GRÜNE JUGEND NRW (dort beschlossen am: 27.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 27.10.2025, 21:49 |
V8: Von Rojava bis Teheran – feministische Kämpfe können den Unterschied machen!
Antragstext
In großen Teilen des Mittleren Ostens richtet sich staatliche, religiöse und
gesellschaftliche Gewalt gezielt gegen Frauen. Ihr Zugang zu Bildung, ihre
Teilnahme öffentlichem Leben, körperlicher und politischer Selbstbestimmung wird
kontrolliert, bestraft und unterdrückt. Der Slogan „Jin, Jiyan, Azadî – Frau,
Leben, Freiheit“ benennt diese Realität bewusst und politisch präzise: Frauen
sind Zielscheibe patriarchaler Herrschaft.
Die Ermordung von Jina Mahsa Amini im September 2022 war kein Einzelfall,
sondern Ausdruck eines Systems, das Frauen zur Aufrechterhaltung patriarchaler
Machtverhältnisse diszipliniert und bestraft. Der Aufstand, der darauffolgte,
war ein Frauenaufstand – getragen von jungen und älteren Frauen, Arbeiterinnen
und Studentinnen, Müttern, Aktivistinnen und Menschen in ihrer Solidarität. Sie
verbrannten ihre Hijabs, stellten das Regime offen infrage und zeigten der Welt,
dass patriarchale Gewalt nicht hingenommen wird und dass Widerstand möglich ist.
Gleichzeitig werden TINA* Personen in diesen Staaten noch brutaler verfolgt und
bestraft. Sie werden durch Gefängnis, Folter, medizinischen Eingriffe,
Zwangsoperationen, öffentliche Demütigung und in manchen Fällen Hinrichtungen
bedroht. Diese systemische Gewalt wird unsichtbar gemacht oder nur am Rand
mitgedacht. Die patriarchale Ordnung in Iran, Afghanistan oder Syrien richtet
sich nicht nur gegen Frauen als gesellschaftliche Gruppe, sondern auch gegen
alle Menschen, deren Identität nicht der kontrollierenden, binären
Geschlechterordnung entspricht.
FLINTA*s sind die kollektive Zielscheibe dieser Systeme – und besonders TINA*
Personen erleben zusätzlich eine verschärfte Form patriarchaler Gewalt.
Während im Iran Frauen massenhaft gegen die Unterdrückung kämpfen, werden in
Afghanistan Frauen vollständig aus dem öffentlichen Leben verbannt: Schulen und
Universitäten bleiben geschlossen, berufliche Teilhabe ist verboten,
Bewegungsfreiheit existiert nicht.
Und gleichzeitig plant die deutsche Bundesregierung weiterhin diplomatische
Gespräche mit den Taliban und eröffnet Möglichkeiten zur Abschiebung. In Syrien
kämpfen Frauen und Zivilgesellschaft unter anderem in Suweida und Shahba unter
Lebensgefahr für Freiheit und Selbstbestimmung, während islamistische Milizen
Proteste gewaltsam unterdrücken und Entführungen und sexualisierte Gewalt gegen
Frauen zum Alltag gehören.
Trotz dieser Gewalt zeigen FLINTA*s unglaublichen Mut. Sie organisieren sich,
dokumentieren Verbrechen und protestieren. In Rojava gestalten FLINTA*-Personen
eine Gesellschaft, die auf Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Schutz von
Minderheiten basiert. Dieses Projekt zeigt, dass Feminismus nicht nur ein Wort
ist, sondern gelebte Praxis, selbst unter Bedrohung und Krieg. Es ist ein Ort,
an dem Widerstand und Selbstverwaltung Hand in Hand gehen, und er ist ein
leuchtendes Beispiel dafür, dass FLINTA*-Personen die Welt verändern können,
selbst unter extremen Bedingungen, wo ihnen Angriffe drohen.
Deutschland und Europa tragen Verantwortung in diesem Kontext. Sie stützen
patriarchale Regime durch diplomatische Beziehungen, wirtschaftliche
Kooperation, fehlende klare Sanktionen und durch ihre Abschiebungspraxis.
Eine feministische Außenpolitik darf nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern
muss sich daran messen lassen, wem sie tatsächlich Schutz, Handlungsmacht und
Überleben ermöglicht. Eine solche Politik muss die Aufnahme und Sicherheit von
Frauen, queeren und TINA* Personen garantieren, die vor patriarchaler Gewalt
fliehen. Sie muss Kooperation mit Regimen und Milizen, die diese Gewalt
organisieren, konsequent beenden. Sie muss feministische Selbstorganisierung
materiell und politisch unterstützen – insbesondere dort, wo Menschen sie unter
Lebensgefahr aufbauen.
Wir als GRÜNE JUGEND NRW erklären unsere Solidarität mit den Frauen, die im
Iran, Afghanistan, Syrien und anderen Teilen der Region für Freiheit kämpfen
sowie mit TINA* Personen, die dort systematisch verfolgt und brutal unterdrückt
werden.
Wir benennen den Charakter der Revolte im Iran bewusst als Frauenrevolte, weil
er historisch und politisch genau das ist. Und wir benennen ausdrücklich, dass
TINA* Personen in den gleichen Systemen noch härter verfolgt werden.
Es braucht eine feministische Solidarität, die weder verallgemeinert noch
unsichtbar macht, sondern differenziert und klar Position bezieht. „Frau, Leben,
Freiheit“ ist kein symbolischer Slogan, sondern eine revolutionäre Aufforderung.
Sie verlangt, dass wir hinsehen, handeln und solidarisch kämpfen.
Wir stehen an der Seite der Frauen und TINA* Personen, die in Teheran, in Kabul,
in Rojava, in Suweida und überall den Mut haben, ein anderes Leben einzufordern.
Ihr Kampf ist global. Und er geht auch uns an.