~ Redaktionelle Änderung ~
Cis - ebenso wie trans* - als Adjektiv.
Verschiedene Anträge: | Verbandsarbeit ist für alle da! Wege hin zu einer offenen GJ NRW |
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Antragsteller*in: | Lena Cornelissen, Louisa Albrecht, René Adiyaman |
Status: | Angenommen |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 02.07.2021, 12:57 |
Diskriminierung von Cis-cis Frauen wirkt anders als Diskriminierung von INTA*-Personen. Diese wirken wiederum anders, als beispielsweise Bi- Homo- oder
streiten. Während zum Beispiel FINTA* selbst oft jede Menge über Queerfeminismus wissen, haben wir immer noch einige (neuere) Cis-cis Männer, die mit all dem noch wenig anfangen können. Hier kann gezielte Bildung im Sinne solidarischer
Politische Entscheidungen gehen uns alle gleichermaßen an. Trotzdem haben nicht
alle den gleichen Zugang zu den Orten und Gruppen, an denen Politik gemacht
wird. Der Grad der eigenen politischen Teilhabe und der eigenen
Einflussmöglichkeit hängt im aktuellen System von vielen Faktoren ab. Die sind
nur selten selbst gewählt – meistens sind sie Ergebnis einer ungerechten
Geburtslotterie.
Als GRÜNE JUGEND fordern wir einen radikalen Wandel der verschiedenen Ebenen des
politischen Systems und einen gerechten Zugang für alle. Aber auch unser Verband
selbst stellt nicht mehr als eine Ebene des Systems dar. Wir arbeiten innerhalb
der schon bestehenden ungerechten Strukturen. Deshalb sind wir auch weit davon
entfernt, frei von diskriminierenden und ausschließenden Mechanismen zu sein.
Denn wir stellen keine abgegrenzte Gruppe an Menschen dar. Wir sind alle im
bestehenden (und wirklich beschissenen) System aufgewachsen und werden in ihm
weiter sozialisiert.
Umso wichtiger also, dass wir uns dem Ziel eines gleichberechtigten Zugangs für
alle auch im Verband bedacht, entschlossen und differenziert annehmen.
Dieser Antrag schlägt einen nächsten Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel vor.
Nicht weniger – aber auch nicht mehr. Er stellt keine Pauschallösung für einen
Verband ohne Diskriminierung und ohne Barrieren dar. Er ist auch kein
soziologisches Essay über gesellschaftliche Machtstrukturen. Stattdessen gehen
wir in ihm auf verschiedene diskriminierende und exkludierende Mechanismen ein
und beschreiben, welche konkreten Schritte gegangen werden sollen, um sie im
Verband abzuschwächen.
Rassismus
Schwarze und indigene Personen sowie Personen of Color werden strukturell
rassistisch diskriminiert. Auf sie wirken verschiedene Rassismen. Dabei
funktioniert antimuslimischer Rassismus zum Beispiel anders als beispielsweise
antiasiatischer Rassismus. Trotz dieser Unterschiede ist es möglich,
antirassistische Strategien zu entwickeln, die alle BIPoC (Black, Indigenous and
People of Color) stärken.
Zur Entwicklung dieser Strategien wollen wir (sollte der Antrag
Satzungsänderungsantrag zu Delegationen und Teams angenommen werden) einen
Arbeitsbereich gründen.Er soll aus einer gemischten Gruppe mit verschiedenen
Wissensständen und Erfahrungen bestehen. Es ist wichtig, dass sich auch weiße
Personen für die strukturellen Veränderungen, die hier passieren müssen, stark
machen. Wir wollen nicht, dass die gesamte antirassistische Arbeit im Verband
bei BIPoC hängen bleibt.
Für diesen Prozess können wir auf viel starke Arbeit, die schon auf Bundesebene
geleistet wurde, zurückgreifen. Wir müssen aber auch die NRW-spezifischen
Strukturen in den Blick nehmen. Wir wollen BIPoC mithilfe des Arbeitsbereichs
besser ansprechen, wir wollen sie für die Arbeit im Verband aktivieren und sie
langfristig besser einbinden.
Antisemitismus
Brandanschläge auf Synagogen und jüdische Gedenkstätten, brennende Israel-Fahnen
und antisemitische Parolen auf Demonstrationen zeigen eindringlich: Auch 2021
sind Antisemitismus und im besonderen auch israelbezogener Antisemitismus
weiterhin eine akute Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland. Als
kognitives und emotionales Weltbild bietet der moderne Antisemitismus ein
allumfassendes System von Ressentiments und (Verschwörungs-)Mythen.Er hat daher
viele komplizierte Fassetten und Ausdrucksformen.
Wir können ihm in erster Linie mit Aufklärung begegnen. Gerade Neumitglieder
müssen die Möglichkeit erhalten, sich beispielsweise in Bildungsangeboten über
Antisemitismus zu informieren. Nur wer jeden Antisemitismus erkennt, kann sich
auch im Sinne unserer Beschlusslage "GEGEN JEDEN ANTISEMITISMUS!" (vom
05.03.2015) positionieren und sie weiterhin bestärken. Außerdem ist es wichtig,
jüdisches Leben in Deutschland sichtbar zu machen und es als die Normalität
darzustellen, die es längst sein sollte – dafür können Veranstaltungen, aber
auch zum Beispiel Social-Media-Arbeit hilfreich sein.
Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität oder der sexuellen
Orientierung
Diskriminierung von Cis-cis Frauen wirkt anders als Diskriminierung von INTA*-
Personen. Diese wirken wiederum anders, als beispielsweise Bi- Homo- oder
Panfeindlichkeit. In allen Bereichen haben wir in der GRÜNEN JUGEND starke
Vorbilder. Das ist richtig gut! Lasst uns aber hier nicht stehen bleiben,
sondern weiterhin mit ganzer Kraft für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
streiten. Während zum Beispiel FINTA* selbst oft jede Menge über Queerfeminismus
wissen, haben wir immer noch einige (neuere) Cis-cis Männer, die mit all dem noch
wenig anfangen können. Hier kann gezielte Bildung im Sinne solidarischer
Männlichkeit ein guter Hebel sein. Wir brauchen außerdem noch mehr spezifische
Formate, in denen sich FINTA* Personen in einem Safer Space austauschen und
gegenseitig empowern können.
Körperliche Behinderungen und chronische Krankheiten
In diesem Bereich ist es wichtig, die Diversität an Krankheitsbildern,
Behinderungen und Einschränkungen in den Blick zu nehmen. Neben dem Ableismus,
den viele erfahren, gibt es viele ganz konkrete Hürden, die Menschen an der
Teilhabe in unserem Verband hindern können. BarriereFREIheit für alle ist dabei
ein riesiges Ziel und kostet viel Geld und Ressourcen. Wir wollen uns aber nicht
auf das fokussieren, was wir alles nicht leisten können, sondern lieber schauen,
mit welchen einfachen Mitteln schon viel gewonnen werden kann.
Eine hybride digitale Teilnahme bei Präsenz-Landesmitgliederversammlungen kann
zum Beispiel für Menschen, für die ein weiter Weg eine große Hürde darstellt,
eine echte Entlastung sein. Über dieses Konzept haben wir uns schon viele
Gedanken gemacht – wir werden es bei der Herbst-LMV zum ersten Mal ausprobieren.
Untertitelung von Videos und Bildbeschreibungen können auf Social Media für
Menschen mit Seh-, beziehungsweise Hörschwierigkeiten helfen, beides nutzen wir
schon. Stück für Stück wollen wir auch mehr einfache Sprache etablieren,
Mitglieder in ihr schulen und so langfristig dafür sorgen, dass zum Beispiel
Bewerbungen immer auch in einfacher Sprache eingereicht werden können.
Weil diese Aufzählung noch lang nicht abschließend ist, wollen wir mehr
Feedbackmechanismen für Menschen mit körperlichen Behinderungen, Einschränkungen
oder chronischen Krankheiten ermöglichen. Das kann im Rahmen der
Evaluationsbögen der Landesmitgliederversammlung oder in persönlichen
Austauschrunden mit der politischen und organisatorischen Geschäftsführung sowie
der Schatzmeisterei passieren. Landesgeschäftsstelle und Landesvorstand können
die Perspektiven dieser Menschen so Stück für Stück besser in der
organisatorischen Arbeit berücksichtigen.
Sprachbarrieren
Leute, mal ehrlich: Wir nutzen ständig hoch gestochene Sprache. Oder englische
Begriffe, oder beides. Was Muttersprachler*innen und Menschen mit akademischem
Hintergrund meist nicht auffällt, kann für viele Personen aus unterschiedlichen
Gründen extrem ausschließend wirken. Um hier Hürden abzubauen, muss nicht alles
gleich in Leichter Sprache oder in 10 verschiedene Sprachen übersetzt werden.
Wir wollen es aber schaffen, dass die Texte, die wir produzieren, für mehr
Menschen verständlicher und zugänglicher werden. Stück für Stück muss ein
Bewusstsein für kurze Sätze, übersichtige Anträge und weniger Fachsimpelei
wachsen. Besonders Kernforderungen müssen verständlich und leicht im Antragstext
zu finden sein. Abkürzungen sollten erklärt oder, noch besser, vermieden werden.
Es darf sich nicht so anfühlen, als wären bei uns nur Leute mit Soziologie-
Bachelor willkommen.
Gleichzeitig wollen wir unsere wichtigsten Texte in einfache Sprache übersetzen
und Bewerbungen mit einer Version in einfacher Sprache perspektivisch zum
Standard machen.Dafür wollen wir auch Mitglieder in einfacher Sprache schulen
und gezielt Leute anfragen, die uns bei Übersetzungen unterstützen können. Es
muss sich kein langfristiges Team an Übersetzer*innen gründen – eine kleine
Delegation, die vielleicht auch nur einmalig etwas übersetzt, ist besser als
nichts!
Finanzielle Barrieren
Was mensch anderen oft nicht ansieht, kann für viele Mitglieder große Hürden
bedeuten. Hohe Teilnahmebeiträge zum Beispiel sind nicht für alle zu stemmen.
Hier brauchen wir ein klares, solidarisches System, das allen Mitgliedern
unabhängig vom eigenen Einkommen oder dem Einkommen der Eltern die
uneingeschränkte Teilnahme ermöglicht! In so einem System muss bedacht werden,
dass es für viele Menschen schwierig ist, sich öffentlich zu ihrer prekären
Situation zu äußern.Neben den Beiträgen kostet auch die Arbeit in Ämtern wie dem
Bildungsteam oder dem Landesvorstand Zeit – die viele zwischen Ausbildung oder
Nebenjob und Regelstudienzeit nicht aufbringen können.
Auch hier können wir mit den Verbandsmitteln keine gerechte
Mindestausbildungsvergütung oder elternunabhängiges BAföG ersetzen. Es lohnt
sich aber, über eine solidarische Aufwandsentschädigung für besonders
zeitintensive Ämter nachzudenken, und die Verbandsarbeit auf Landesebene auf
vielen Schultern zu verteilen. Breite, gut arbeitende Strukturen machen die
Arbeit niedrigschwelliger und sparen uns allen ein Burnout. Hier ist also viel
zu tun, der Satzungsänderungsantrag zu Teams und Delegationen ist ein Anfang. Um
Menschen in verschiedensten Lebenssituationen anzusprechen, müssen wir auch auf
feste Start- und Endzeiten achten, die außerhalb der klassischen Arbeitszeiten
liegen.
Also?
Die Lösungen für ausschließende und diskriminierende Mechanismen sind also
mindestens genauso vielfältig wie sie selbst. Deshalb ist es wichtig, dass wir
uns nicht an viel zu großen Projekten verheben und anschließend aufgeben.
Stattdessen wollen wir gemeinsam und Schritt für Schritt über unsere Strukturen
nachdenken und zu nachhaltigen Veränderungen kommen, die Menschen mit allen
möglichen Hürden die Teilhabe in unserem Verband erleichtert. Wir wollen eine
Atmosphäre schaffen, in der Fehler okay sind und in der Menschen
selbstverständlich zweite Chancen eingeräumt werden. Langfristig sollen so alle
die Möglichkeit, die Kraft und auch einfach Bock darauf haben, in der GRÜNEN
JUGEND Politik zu machen. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Aber in einem
konstruktiven Prozess können wir ihm Stück für Stück näherkommen und die
Veränderung gemeinsam gestalten. Also auf geht's!
~ Redaktionelle Änderung ~
Cis - ebenso wie trans* - als Adjektiv.