Veranstaltung: | Herbst-Landesmitgliederversammlung 2018 der GRÜNEN JUGEND NRW |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 7 Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | Mitgliederversammlung (dort beschlossen am: 04.11.2018) |
Status: | Abgelehnt |
Beschlossen am: | 04.11.2018 |
Eingereicht: | 22.11.2018, 18:27 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V3-Ausgearbeitet: Keine Arbeit für Niemand!
Antragstext
Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet rasant voran. Automatisierung,
Robotisierung und Vernetzung machen viele Arbeitsplätze überflüssig. Laut einer
Oxford-Studie werden in 20 Jahren etwa die Hälfte aller Arbeitsplätze nicht mehr
benötig. Das sollte doch ein Grund zur Freude sein. Körperlich anstrengende und
andere, automatisierbare Tätigkeiten können Maschinen für uns erledigen und wir
hätten mehr Zeit für Wichtiges. Doch dieser Wunsch scheitert an der
kapitalistischen Verwertungslogik.Menschen leiden unter Überstunden,
Leistungsdruck und ständiger Erreichbarkeit. Es gibt immer mehr Menschen, denen
ein Job nicht mehr reicht und die in prekären Arbeitsverhältnissen leben müssen.
Dass es so ist, liegt an unserem Wirtschaftssystem, das nur funktioniert, wenn
es allem dem Wachstum, der Arbeit und dem Profit unterwirft. Menschen werdem im
Kaptalismus zu vereinzelte Privatproduzent*innen, die arbeitsteilig Waren
produzieren. Die Warenbesitzer*innen kommen nicht direkt miteinander in Kontakt,
sondern indirekt über einen abstrakten Markt, der den Austausch regelt.
Triebkraft der kapitalistischen Warenproduktion ist die Kapitalverwertung. Geld
wird investiert in Produktionsmittel und Arbeitskräfte, um Waren zu produzieren,
die sich dann für mehr Geld verkaufen lassen. Ziel der Produktion ist daher
nicht die Befriedigung von Bedürfnissen, sondern aus Geld mehr Geld zu machen.
Jedes Unternehmen muss unablässig den Profit in neue Verfahren und Produkte
reinvestieren, um im Konkurrenzkampf überleben zu können. Dadurch entsteht der
Zwang zum grenzenlosen Wachstum und zur Maximierung des Profits.
Diese Dynamik hat sich gegenüber dem Menschen verselbstständigt, sodass immer
mehr Lebensbereiche dem abstrakten Markt und dem Verwertungsprozess unterworfen
werden. Um unsere Bedürfnisse befriedigen zu können, müssen wir kaufen und
verkaufen. Da die Mehrheit nicht über Eigentum an Produktionsmitteln verfügt,
muss sie ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen, um überleben zu können. Für die
Menschen ist der Zugang zu Gütern somit davon bestimmt, wie gut verwertbar sie
für den Arbeitsmarkt sind. Die Konkurrenz der Arbeitskraftverkäufer*innen zwingt
sie dazu, sich beständig selbst zu optimieren und sich lediglich als
„Humankapital“ zu betrachten. Lohnarbeit degradiert uns zum Anhängsel eines
Produktionsprozesses, der als Selbstzweck Waren produziert. Um wettbewerbsfähig
bleiben zu können, beuten die Unternehmen ihre Lohnarbeiter*innen maximal aus,
was sich dann in Arbeitsverdichtung, Leistungsdruck, Stress und Burnout
ausdrückt.
Durch die digitale Revolution - die Automatisierung, die Ausbreitung der
Informationstechnologien und den Einsatz von immer leistungsfähigeren
Computerprogrammen - könnten bald Millionen von Arbeitsplätzen überflüssig
werden. Immer mehr Berufsgruppen sind davon betroffen. Darunter sind nicht nur
einfache Tätigkeiten, sondern auch Wissensberufe. Selbstfahrende Autos können
potentiell Busfahrer*innen ersetzen, Drohnen die Postbeamt*innen, Algorithmen
die Buchhalter*innen und künstliche Intelligenz die Ärzt*innen unterstützen.
Um nicht für den Markt überflüssig zu werden, werden Menschen ihre Fähigkeiten
und Qualifikation den veränderten Marktsituation anpassen müssen. In einem
System, das permanent zwischen Sieger*innen und Verlierer*innen selektiert,
können allerdings nicht alle wettbewerbsfähig sein. Die wenigen neuen gut
bezahlten Jobs werden einer kleinen Gruppe von Programmierer*innen oder IT-
Ingenieur*innen vorbehalten sein. Die Mehrheit landet in Lagerhallen oder als
Gelegenheits-, Crowd- und Clickarbeiter*innen und wird damit in den
Niedriglohnsektor gedrängt.
Auch Gewerkschaften fordern "gute Arbeit". Ein Leben ohne den Zwang, die eigene
Arbeitskraft verkaufen zu müssen, um zu überleben, wird so von vornherein
undenkbar. Stattdessen herrscht die Vorstellung, dass ein Leben ohne Arbeit
würde- und wertlos ist. In vorauseilendem Gehorsam bemüht man sich daher um
geistige Verrenkungen, die den Arbeitszwang irgendwie positiv wenden wollen. Wir
stellen uns gegen diesen Arbeitsethos.
Anstatt die Zumutung des Geldverdienen Müssens hinzunehmen, anstatt den
kapitalistischen Zwang zum Verkauf der eigenen Arbeitskraft ideologisch zu
affirmieren, sollte die Kritik der GRÜNEN JUGEND nicht nur auf die schlechten
Arbeitsbedingungen an der Oberfläche abzielen, sondern die Lohnarbeit als solche
infrage stellen. Wir wollen daher die Herausforderung der Digitalisierung nicht
nur begegnen, indem wir mehr Arbeitnehmer*innenrechte fordern, sondern wollen
das emanzipatorisches Potenzial nutzen, um uns vom Arbeitszwang zu befreien.
Anstatt die Zumutung des Geldverdienen Müssens hinzunehmen, anstatt den
kapitalistischen Zwang zum Verkauf der eigenen Arbeitskraft ideologisch zu
affirmieren, sollte die Kritik der GRÜNEN JUGEND nicht nur auf die schlechten
Arbeitsbedingungen an der Oberfläche abzielen, sondern die Lohnarbeit als solche
infrage stellen. Wir wollen daher die Herausforderung der Digitalisierung nicht
nur defensiv begegnen, indem wir mehr Arbeitnehmer*innenrechte fordern, sondern
wollen das emanzipatorisches Potenzial nutzen, um uns vom Arbeitszwang zu
befreien.
Dafür ist es notwendig eine grundlegende Frage stellen: Warum sollen wir
eigentlich immer mehr und länger arbeiten, obwohl mit der jetzigen Produktivität
mit extrem wenig Arbeit so viel stofflichen Reichtum wie noch nie produzieren
können. Technische Innovationen machen die paradiesische Möglichkeit von
Wohlstand, für den gleichzeitig niemand zu arbeiten gezwungen ist, zum Greifen
nahe. Unter kapitalistischen Bedingungen kommen diese jedoch nicht den Menschen
zu gute. Es ist absurd, dass die einen sich totarbeiten müssen und die anderen
nicht “gebraucht” werden. Solange weiterhin alles dem abstrakten Markt
unterworfen ist, sind wir in der verselbstständigten gesellschaftlichen
Tretmühle gefangen.
Die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse sind nicht naturgegeben. Die
Vorstellung, dass man „Arbeiten-gehen-muss-um-Geld-zu-verdienen-weil-wir-sonst-
nicht-leben-können“ ist kein Naturgesetz, sie ist ein Sachzwang einer historisch
vor etwa 250 Jahren entstandenen Gesellschaftsformation. Der stoffliche Reichtum
ist inzwischen in Überfluss vorhanden, er muss jetzt nur anders organisiert
werden. Die Digitalisierung gibt uns dafür immer mehr die Möglichkeiten eine
befreite Gesellschaft zu verwirklichen. Einer Gesellschaft jenseits von Markt
und Kapital, bei der Güter und Ressourcen gemeinschaftlich organisiert und
genutzt werden. In der Kooperation im Vordergrund steht, statt Konkurrenz. In
denen Menschen beitragen, statt tauschen und frei tätig sind, statt Lohnarbeit
nachzugehen. Bei der die Produktion und Verteilung von Gütern nicht über einen
Markt vermittelt ist, sondern aus einer Selbstorganisation heraus, in der frei
darüber entschieden wird was, wie und wo hergestellt wird. Erst dann können wir
selbstbestimmt unser Leben gestalten. Als GRÜNE JUGEND treten wir daher für eine
gesellschaftliche Transformation ein.