Veranstaltung: | GRÜNE JUGEND NRW - Landesmitgliederversammlung Herbst 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 8 Verschiedene Anträge |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 30.01.2020, 14:25 |
Antragshistorie: | Version 1 |
V6NEU: Private Wohnungsgesellschaften de-privatisieren – bezahlbaren Wohnraum wahren und schaffen
Antragstext
Die GRÜNE JUGEND NRW fordert, dass Wohnungen von privaten, profitorientierten
Wohnungsgesellschaften mit mehr als 3000 Wohnungen innerhalb Nordrhein-
Westfalens in Gemeineigentum überführt werden. Die Wohneinheiten werden durch
Landesgesetz gemäß Artikel 15 Grundgesetz vergesellschaftet. Zu deren Verwaltung
wird eine gemeinwohlorientierte und demokratisch organisierte Anstalt des
öffentlichen Rechts (AöR) geschaffen. Die betroffenen Unternehmen werden unter
gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Eigentümer*innen
entschädigt.
Die Geschäftsstrategie von profitorientierten Unternehmen ist auf die
Bedürfnisse ihrer Eigentümer*innen und somit auf Profitmaximierung ausgelegt.
Doch Wohnen ist ein Menschenrecht – und dies darf nicht als gewinnbringende Ware
verwertet werden. Um Gewinn und Marktwert zu steigern, werden Mieten erhöht und
Luxussanierungen durchgeführt. Hiervon profitieren die Eigentümer*innen, während
insbesondere einkommensschwächere Personen verdrängt werden. Durch diese
Sanierungen mit Mietsteigerungen entsteht aber kein neuer Wohnraum und die
Preise auf dem Wohnungsmarkt werden nur weiter in die Höhe getrieben.
Wir fordern eine Wohnungspolitik, die sozial und nachhaltig ist. Gegen die
weitere Vergrößerung der Schere zwischen Arm und Reich müssen wir jetzt
entschieden vorgehen – Deprivatisierungen als utopisch abzutun, ist fatal und
nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen in Siedlungen leben, in denen auch Platz für
sozio-kulturelle Projekte ist und in denen alle zusammenleben können. Niemand
darf aufgrund hoher Mieten verdrängt werden!
Begründung
Die größten Wohnungseigentümer*innen in Deutschland sind die Wohnungsgesellschaften Vonovia, Deutsche Wohnen und die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). Wir werden uns exemplarisch auf die LEG beziehen, da sie eine mächtige Akteurin auf dem Wohnungsmarkt in NRW ist. Ihre Geschäftspraktiken entsprechen jedoch denen der anderen großen Wohnungsgesellschaften.
Als die LEG im Jahr 1970 als Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen für Städtebau, Wohnungswesen und Agrarordnung mbH gegründet wurde, befand sie sich noch in öffentlicher Hand. Von der damaligen schwarz-gelben Landesregierung wurde sie, nach inner- und außerparlamentarischem Protest am 10. Juni 2008 an den Immobilienfonds der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs verkauft und somit privatisiert. Der aktuelle Immobilienbestand der „LEG Immobilien AG“ umfasst 130.968 Wohneinheiten, 1.232 Gewerbeeinheiten sowie 32.837 Garagen und Stellplätze (2. Quartalbericht 2019, 30. Juni 2019).
Die Geschäftsstrategie der LEG ist auf die Maximierung der Gewinne fokussiert und nicht auf die Bedürfnisse der Mieter*innen. So wollte die LEG zum Beispiel in Dorsten-Barkenberg 1.197 ehemalige Sozialwohnungen an einen Investor veräußern. Nachdem in Dortmund die LEG im Juni 2017 eine Mieterhöhung von 50% ankündigte, gab es massive Mieter*innenproteste. Auf der anderen Seite hat die Hauptversammlung der LEG im Mai 2019 eine Dividendenerhöhung um 16,1 Prozent (von 3,04 auf 3,53 Euro je Aktie) beschlossen. Möglich wird das durch die Steigerung der Mieteinnahmen der LEG im Geschäftsjahr 2018.
Es ist zynisch, dass Mieten erhöht werden, um mehr Gewinne zu erwirtschaften, um dann Dividenden zu erhöhen. Letztlich wird mit einer solchen Unternehmenspraxis die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. Sozioökonomisch Benachteiligte – zunehmend auch große Teile der Mittelschicht – wohnen größtenteils zur Miete. Sie besitzen in der Regel nicht nur kein Wohneigentum, sondern auch keine Wertpapiere. Sie sind somit kaum an den Erlösen aus Kapitaleinkommen beteiligt, werden aber auf ihre Arbeitseinkommen stark besteuert. Die Lebenshaltungskosten der Mieter*innen werden also erhöht, um besser gestellten Aktionär*innen die Kapitaleinkommen (in Form von Dividenden und Marktwerterhöhung) zu ermöglichen. Auf diese werden dann auch noch absurd geringere Steuersätze fällig. Wir müssen uns die Frage stellen, warum einkommensschwache Personen finanziell immer mehr belastet werden. Das ist schlicht und einfach Umverteilung von unten nach oben. Es kann nicht sein, dass wir die Existenz sozioökonomisch schlechter gestellter Personen und damit auch den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft aufs Spiel setzen, um große Unternehmen mit Wohnraum handeln zu lassen – denn Wohnraum ist keine Ware!
Steigende Mieten, teure und unnötige Modernisierungen, kalkulierte Verweigerung der Instandhaltung und ein Konzern, der kaum erreichbar ist. Es zeigt sich, dass die Privatisierung von Wohnraum in Hinblick auf Sozialverträglichkeit gescheitert ist. Wir brauchen heutzutage alternative Antworten: Wir müssen den Wohnraum zurück in die öffentliche Hand holen!
Dafür müssen die Gesellschaften entschädigt werden. Die Höhe der Entschädigungen wird unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit sowie der Eigentümer*innen nach Artikel 14 Absatz 3 GG bestimmt. Diese wird deutlich unter dem Marktwert liegen. Durch die Beschränkung auf private und profitorientierte Wohnungsgesellschaften, werden gemeinnützige Genossenschaften und Wohnungsgesellschaften in kommunaler Trägerschaft von der Vergesellschaftung ausgenommen.
Wohnen ist ein Menschenrecht – und das Recht auf dieses Grundbedürfnis darf nicht als gewinnbringende Ware verwertet werden!