Antrag: | Ein Gesamtkonzept für gesunde Ernährung braucht eine Zucker- und Süßungsmittelsteuer |
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Antragsteller*in: | Carl Riemann |
Status: | Angenommen |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 14.07.2018, 11:06 |
Ä2 zu V3: Ein Gesamtkonzept für gesunde Ernährung braucht eine Zucker- und Süßungsmittelsteuer
Antragstext
Von Zeile 1185 bis 1187 einfügen:
Deutschland im Fernsehen wie im Internet verhindert werden. Ein positives Image soll bei jungen Leuten nur dann kreiert werden dürfen, wenn es das Produkt aus gesundheitlicher Sicht auch verdient. Alternativ könnte dies durch eine zusätzliche Steuerregulierung
Die Grüne Jugend NRW nimmt die aktuelle Debatte zur Einführung einer
Zuckersteuer in Deutschland zum Anreiz ihren Einsatz für eine gesündere
Ernährung und eine bessere Prävention vor ernährungsbedingten Krankheiten zu
erneuern und an die jüngeren Entwicklungen anzupassen.
Die Grüne Jugend NRW schließt sich der jahrelangen Forderung des Berufsverbands
der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) an und fordert eine bessere
Adipositasprävention. Der Bewegungsdrang der Kinder und Jugendlichen muss
gefördert werden und sollte nicht bei jeder Gelegenheit durch die Nutzung von
Autos, Rolltreppen, Aufzügen, analogen wie digitalen Medien, Computern,
Smartphones oder vergleichbaren Hilfsmitteln fortschreitend gehemmt werden.
Den Forderungen von mehr als 2.000 Ärzt*innen und deren breiten Bündnis aus 15
Ärzt*innenverbänden, Fachorganisationen und Krankenkassen entsprechend ist es
nach Meinung der Grünen Jugend NRW ebenso wichtig Beschränkungen und Richtlinien
für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung und deren gezielten und zum Teil
unterschwelligen Botschaften zu setzen.
Ergänzt werden soll dies mit verbindlichen Mindeststandards für die öffentliche
Beschaffung von gesunder, zuckerarmer Schul- und Kitaverpflegung. Zahlen, wie in
den USA, dass bei bestimmten Sendungen oder Serien 60 Prozent der Werbung für
ernährungstechnisch bedenkliche Lebensmittel genutzt werden, müssen in
Deutschland im Fernsehen wie im Internet verhindert werden. Ein positives Image
soll bei jungen Leuten nur dann kreiert werden dürfen, wenn es das Produkt aus gesundheitlicher Sicht auch
verdient. Alternativ könnte dies durch eine zusätzliche Steuerregulierung
erschwert werden.
Auf Seiten der Ernährungspsychologe setzt sich die Grüne Jugend NRW dafür ein
mehr zu lehren, zu erklären, unbewusste Prozesse bewusst zu machen und zu
verdeutlichen, wie emotionales Essen funktioniert und die Psychologie hinter
unserem Essverhalten tiefgreifender zu beleuchten. Dazu gehört auch, dass Eltern
durch gemeinsame Mahlzeiten und ihr Einkaufsverhalten das Gesundheits-und
Ernährungsbewusstsein ihrer Kinder wesentlich prägen. Daher fordert die Grüne
Jugend NRW nicht nur eine gezieltere Aufklärung und Weiterbildung für Kinder und
Jugendliche in der Schule, sondern auch Informationsangebote und -kampagnen für
Eltern. Die Grüne Jugend NRW schließt sich in diesem Kontext der Forderung aus
der KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts an, welche die Bekämpfung sozial
ungleich verteilter Gesundheitschancen in den Vordergrund stellt.
Die Grüne Jugend NRW kritisiert des Weiteren die zu wenig wahrgenommene
Hersteller*innenverantwortung der Wirtschaft und vertraut nicht weiter auf deren
Eigeninitiative. Damit stellt sie sich gegen den marktliberalen Gedanken,
welcher das Prinzip der Konsument*innensouveränität zwar zu Recht in den
Vordergrund stellt, aber gleichzeitig die Unternehmen missinterpretierend aus
der Pflicht nimmt. Dabei geht es nicht darum den Konsument*innen vorzuschreiben,
was sie zu essen haben, sondern sie vor versteckten Fallen und
unverantwortlichem Verkaufsinteresse der Großkonzerne zu schützen.
Im jüngsten Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene steht, dass
eine „Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in
Fertigprodukten“ gemeinsam mit den Beteiligten konzeptualisiert werden soll und
dieses „mit wissenschaftlich fundierten, verbindlichen Zielmarken und einem
konkreten Zeitplan versehen“ werden soll. Allerdings spricht
Verbraucher*innenministerin Julia Klöckner, welche dazu vor allem
Vertreter*innen der Lebensmittelhersteller*innen der Zucker- und Fettbranchen
eingeladen hat, von einem Dialog mit den Akteur*innen. Das Ergebnis von Ende
April 2018 fiel dann auch weitaus enttäuschender aus als zunächst anzunehmen
war. Die CDU-Ministerin setzte sich allein für eine Verstärkung der
Ernährungsbildung, einer Sensibilisierung der Bürger*innen und Verbraucher*innen
und einer nachvollziehbaren Kennzeichnungen ein, ohne dabei konkreter zu werden.
Hauptaussage ihrer politischen Botschaft war, dass sie sich „gegen die
Diskriminierung einzelner Zutaten“ stelle. Diese rückwärtsgewandte und
Verbraucher*innenschädigende Haltung verurteilt die Grüne Jugend NRW scharf.
Supermarktketten machen bis zu 10 Prozent ihres Umsatzes mit Süßwaren. Sie
dürfen nicht mit dem selbstformulierten Versprechen davonkommen Pilotprodukte
sukzessive ins Sortiment aufzunehmen oder ihr Eigenmarkensortiment bis 2020 auf
den Zuckergehalt überprüfen zu wollen.Ausreden wie jene des Spitzenverbands der
Lebensmittelwirtschaft, dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde,
dass Zuckerarten, Fette und Salze nicht nur Geschmacksträger sind, sondern auch
eine Reihe von technologischen Eigenschaften, wie der Haltbarkeit und der
Beschaffenheit von Lebensmitteln mit sich bringen und bestehende Rezepturen so
überarbeiten werden müssten, dass sie noch schmecken, nimmt die Grüne Jugend NRW
nicht mehr hin. Sie verweist darauf, dass Zucker eher reichlich hinzugefügt
wird, um deren Fülle zu nutzen und hochwertigere und weniger kostengünstige
Zutaten zu vermeiden.
Gleichzeitig sieht die Grüne Jugend NRW die Gefahr, dass für viele
Verbraucher*innen, trotz bestehender Nährwerttabelle, schwer zu erkennen ist wie
viel Zucker tatsächlich in einem Produkt steckt, weil dort nur herkömmlicher
Haushalts-Zucker deklariert werden muss und andere Süßungsmittel nicht. Meist
werden Konzentrate oder Fruchtsaftkonzentrate eingesetzt, die zu einem hohen
Zuckergehalt führen können, aber nicht als üblicher Zuckerzusatz gelten. Diese
werden zwar in der Zutatenliste angegeben, meist versteckten sie sich jedoch
hinter anderen Namen und chemischen Begriffen, welche sich insgesamt in über 70
verschiedene Namen und Stoffe aufteilen. Beispiele sind Dextrose, Polydextrose,
Maltodextrin, Maltit Cyclamat, Glukose-Sirup, Traubensüße, Gerstenmalzextrakt,
Invertzuckersirup oder Süßungsmittel wie Xylit, Acesulfam oder Aspartam. Gerade
Süßungsmittel und kalorienfreie Süßstoffe wie Acesulfam und Aspartam machen
allerdings nicht zwingend schlank und können sogar Studien zufolge schädlich
sein, weil sie den Stoffwechsel und die Auskleidung der Blutgefäße ungünstig
verändern können. Dabei ist anzumerken, dass insbesondere bei Sucralose, Stevia
und Saccharin noch keine fundierten Kenntnisse existieren und es dringend
wissenschaftlicher Felduntersuchungen dazu bedarf. Die Deutsche Gesellschaft für
Ernährung (DGE) rät daher auch „statt Zucker durch Süßstoffe zu ersetzen
grundsätzlich auf ‚weniger süß‘ umzustellen“.
Die Grüne Jugend NRW fordert daher die Erweiterung der Nährwerttabelle mit einer
differenzierten Ampelkennzeichnung für Zucker, Fett und Salz, wie sie von
Verbraucherschützer*innen seit Jahren gefordert wird und damit eine
obligatorische Produktkennzeichnung mit einer verständlichen und vergleichbaren
Lebensmittelkennzeichnung. Dabei soll das dreigliedrige Ampelfarben-Schema von
„grün, gelb und rot“ mit dunkelgrün und orange erweitert werden, um deutlichere
Abstufungen vornehmen zu können und Zuckerbomben mit einem Blick eindeutig
identifizieren zu können.
Der visuelle Anreiz für Verbraucher*innen soll nach Meinung der Grünen Jugend
NRW dabei mit einem finanziellen Anreiz für die Hersteller*innen kombiniert
werden. Dem Wunsch der Mehrheit von 53 Prozent der Menschen in Deutschland
folgend, wie eine Umfrage von YouGov im Auftrag von foodwatch im Mai 2018 ergab,
setzt sich die Grüne Jugend NRW für eine Steuer auf überzuckerte Getränke ein.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfahl zum Welt-Adipositas-Tag bereits eine
solche Steuer von mindestens 20 Prozent. Vorstellbar wäre also etwa eine Steuer
von 20 Cent pro Liter für alle Getränke die mehr als fünf Gramm Zucker je 100
Milliliter enthalten.
Als Vorbild sieht die Grüne Jugend NRW Länder wie Berkeley (USA), Dänemark,
Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Mexiko und Ungarn wo bereits
Sondersteuern oder -abgaben auf Süßgetränke und Soft-Drinks oder bestimmte
Lebensmittelgruppen wie Schokolade, Zuckerwaren und Speiseeis oder besonders
kalorienreiche Produkte, wie z.B. sogenannte Junkfood-Produkte, existieren.
Diese Hersteller*innenabgaben können dann zweckgebunden in Präventionsprojekte
oder im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden. Dazu
gehört vor allem, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA),
wie es bereits im Präventionsgesetz vorgesehen ist, mit mehr Mitteln
ausgestattet wird.
Eine generell gerechtere oder andere Besteuerung von Lebensmitteln, welche
beispielsweise die Besteuerung von Mineralwasser mit 19 Prozent und eines
Schokoriegels mit sieben Prozent Mehrwertsteuer anpasst oder ausgleicht, ist
ebenso ein Ziel der Grünen Jugend NRW.
Die Tatsache, dass über fünf Millionen Menschen in der Lebensmittel- und
Zuckerbranche arbeiten, erfordert ein Gesamtkonzept, welches alle in die
Verantwortung nimmt, die bisherigen vereinzelten Maßnahmen wie in der
Adipositas-Prävention oder der Sportförderung zusammenführt, und allen gerecht
wird. Die Grüne Jugend NRW fordert in diesem Zuge auch eine höhere Bereitschaft
der Krankenkassen bei der Kostenübernahme für chirurgische Eingriffe bei
Adipositas-Patient*innen. Magenverkleinerungen sind für die breite Bevölkerung
viel zu teuer und viele Medikamente gegen Adipositas benötigen ein immenses Maß
an weitergehender Forschung.
Langfristig muss es darum gehen, dass Konsument*innen weniger Süßes nachfragen,
wie es das ife, Institut für Ernährungswirtschaft, empfiehlt. Wobei
Zuckerreduktion dazu führen kann, dass mehr gegessen wird und damit mehr
Kalorien als vorher aufgenommen wird. Es muss deutlich sein, dass
zuckerreduziert nicht unbedingt kalorienreduziert bedeutet. Für ein gelingendes
Gesamtkonzept gilt es daher auch gesundheitsrelevante Verhaltensweisen abhängig
von strukturellen Bedingungen und Umweltfaktoren zu begreifen und Ansätze zu
finden, welche auch die Beschaffenheit der Wohnumgebung, der
Einzelhandelskonstellation vor Ort, Grünflächen, Spielplätze, Sportangebote, und
Verkehr sowie Sicherheit in Betracht ziehen. Existierende Zucker-Alternativen
müssen unterstützt, ausgebaut und gefördert werden und die Tatsache, dass
Fertigprodukte im Vergleich zu Rohwaren oft teurer sind, genutzt werden, um
frische Lebensmittel und eigenes Kochen zu bewerben. Gleichzeitig müssen gesunde
und nachhaltig produzierte Lebensmittel weiter gefördert werden und auch
finanziell für jeden Mitmenschen in einem ausreichenden Maße erschwinglich sein.
Bei der Betrachtung der bisherigen Folgen in den anderen Ländern fällt auf, dass
einige Hersteller*innen den Zuckergehalt, beispielsweise bei Softdrinks, auf
knapp unter den Grenzwert gesenkt und den Rest durch diverse Süßstoffe ersetzt
haben. Laut einer Studie des britischen Gesundheitsministeriums ist der
Zuckeranteil in Softdrinks zwar um zwölf Prozent zurückgegangen, aber in einem
vergleichbaren Verhältnis der Anteil an Ersatzstoffen gestiegen. Ebenfalls ist
festzuhalten, dass die Absatzzahlen von Süßgetränken und -essen nach Einführung
der Steuern beispielsweise in Berkeley, Mexiko und Ungarn bereits gesunken sind.
In Berkeley oder auch Mexiko nahm parallel der Konsum von Wasser zu. Die Grüne
Jugend NRW fordert in diesem Zusammenhang neben der Einführung einer Steuer auf
Zucker auch eine vergleichbare Steuer auf alle Süßungsmittel, um substituierende
Effekte zu vermeiden.
Ebenso soll ein staatliches Monitoring der Auswirkungen auf die Rezepturen der
Lebensmittelproduzent*innen und die Absatzzahlen durchgeführt werden, um die
tatsächlichen Auswirkungen eines neuen Steuersystems evaluieren, begleiten und
mittelfristig Anpassungen vornehmen zu können.
Von Zeile 1185 bis 1187 einfügen:
Deutschland im Fernsehen wie im Internet verhindert werden. Ein positives Image soll bei jungen Leuten nur dann kreiert werden dürfen, wenn es das Produkt aus gesundheitlicher Sicht auch verdient. Alternativ könnte dies durch eine zusätzliche Steuerregulierung
Die Grüne Jugend NRW nimmt die aktuelle Debatte zur Einführung einer
Zuckersteuer in Deutschland zum Anreiz ihren Einsatz für eine gesündere
Ernährung und eine bessere Prävention vor ernährungsbedingten Krankheiten zu
erneuern und an die jüngeren Entwicklungen anzupassen.
Die Grüne Jugend NRW schließt sich der jahrelangen Forderung des Berufsverbands
der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) an und fordert eine bessere
Adipositasprävention. Der Bewegungsdrang der Kinder und Jugendlichen muss
gefördert werden und sollte nicht bei jeder Gelegenheit durch die Nutzung von
Autos, Rolltreppen, Aufzügen, analogen wie digitalen Medien, Computern,
Smartphones oder vergleichbaren Hilfsmitteln fortschreitend gehemmt werden.
Den Forderungen von mehr als 2.000 Ärzt*innen und deren breiten Bündnis aus 15
Ärzt*innenverbänden, Fachorganisationen und Krankenkassen entsprechend ist es
nach Meinung der Grünen Jugend NRW ebenso wichtig Beschränkungen und Richtlinien
für an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung und deren gezielten und zum Teil
unterschwelligen Botschaften zu setzen.
Ergänzt werden soll dies mit verbindlichen Mindeststandards für die öffentliche
Beschaffung von gesunder, zuckerarmer Schul- und Kitaverpflegung. Zahlen, wie in
den USA, dass bei bestimmten Sendungen oder Serien 60 Prozent der Werbung für
ernährungstechnisch bedenkliche Lebensmittel genutzt werden, müssen in
Deutschland im Fernsehen wie im Internet verhindert werden. Ein positives Image
soll bei jungen Leuten nur dann kreiert werden dürfen, wenn es das Produkt aus gesundheitlicher Sicht auch
verdient. Alternativ könnte dies durch eine zusätzliche Steuerregulierung
erschwert werden.
Auf Seiten der Ernährungspsychologe setzt sich die Grüne Jugend NRW dafür ein
mehr zu lehren, zu erklären, unbewusste Prozesse bewusst zu machen und zu
verdeutlichen, wie emotionales Essen funktioniert und die Psychologie hinter
unserem Essverhalten tiefgreifender zu beleuchten. Dazu gehört auch, dass Eltern
durch gemeinsame Mahlzeiten und ihr Einkaufsverhalten das Gesundheits-und
Ernährungsbewusstsein ihrer Kinder wesentlich prägen. Daher fordert die Grüne
Jugend NRW nicht nur eine gezieltere Aufklärung und Weiterbildung für Kinder und
Jugendliche in der Schule, sondern auch Informationsangebote und -kampagnen für
Eltern. Die Grüne Jugend NRW schließt sich in diesem Kontext der Forderung aus
der KiGGS-Studie des Robert-Koch-Instituts an, welche die Bekämpfung sozial
ungleich verteilter Gesundheitschancen in den Vordergrund stellt.
Die Grüne Jugend NRW kritisiert des Weiteren die zu wenig wahrgenommene
Hersteller*innenverantwortung der Wirtschaft und vertraut nicht weiter auf deren
Eigeninitiative. Damit stellt sie sich gegen den marktliberalen Gedanken,
welcher das Prinzip der Konsument*innensouveränität zwar zu Recht in den
Vordergrund stellt, aber gleichzeitig die Unternehmen missinterpretierend aus
der Pflicht nimmt. Dabei geht es nicht darum den Konsument*innen vorzuschreiben,
was sie zu essen haben, sondern sie vor versteckten Fallen und
unverantwortlichem Verkaufsinteresse der Großkonzerne zu schützen.
Im jüngsten Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD auf Bundesebene steht, dass
eine „Nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in
Fertigprodukten“ gemeinsam mit den Beteiligten konzeptualisiert werden soll und
dieses „mit wissenschaftlich fundierten, verbindlichen Zielmarken und einem
konkreten Zeitplan versehen“ werden soll. Allerdings spricht
Verbraucher*innenministerin Julia Klöckner, welche dazu vor allem
Vertreter*innen der Lebensmittelhersteller*innen der Zucker- und Fettbranchen
eingeladen hat, von einem Dialog mit den Akteur*innen. Das Ergebnis von Ende
April 2018 fiel dann auch weitaus enttäuschender aus als zunächst anzunehmen
war. Die CDU-Ministerin setzte sich allein für eine Verstärkung der
Ernährungsbildung, einer Sensibilisierung der Bürger*innen und Verbraucher*innen
und einer nachvollziehbaren Kennzeichnungen ein, ohne dabei konkreter zu werden.
Hauptaussage ihrer politischen Botschaft war, dass sie sich „gegen die
Diskriminierung einzelner Zutaten“ stelle. Diese rückwärtsgewandte und
Verbraucher*innenschädigende Haltung verurteilt die Grüne Jugend NRW scharf.
Supermarktketten machen bis zu 10 Prozent ihres Umsatzes mit Süßwaren. Sie
dürfen nicht mit dem selbstformulierten Versprechen davonkommen Pilotprodukte
sukzessive ins Sortiment aufzunehmen oder ihr Eigenmarkensortiment bis 2020 auf
den Zuckergehalt überprüfen zu wollen.Ausreden wie jene des Spitzenverbands der
Lebensmittelwirtschaft, dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde,
dass Zuckerarten, Fette und Salze nicht nur Geschmacksträger sind, sondern auch
eine Reihe von technologischen Eigenschaften, wie der Haltbarkeit und der
Beschaffenheit von Lebensmitteln mit sich bringen und bestehende Rezepturen so
überarbeiten werden müssten, dass sie noch schmecken, nimmt die Grüne Jugend NRW
nicht mehr hin. Sie verweist darauf, dass Zucker eher reichlich hinzugefügt
wird, um deren Fülle zu nutzen und hochwertigere und weniger kostengünstige
Zutaten zu vermeiden.
Gleichzeitig sieht die Grüne Jugend NRW die Gefahr, dass für viele
Verbraucher*innen, trotz bestehender Nährwerttabelle, schwer zu erkennen ist wie
viel Zucker tatsächlich in einem Produkt steckt, weil dort nur herkömmlicher
Haushalts-Zucker deklariert werden muss und andere Süßungsmittel nicht. Meist
werden Konzentrate oder Fruchtsaftkonzentrate eingesetzt, die zu einem hohen
Zuckergehalt führen können, aber nicht als üblicher Zuckerzusatz gelten. Diese
werden zwar in der Zutatenliste angegeben, meist versteckten sie sich jedoch
hinter anderen Namen und chemischen Begriffen, welche sich insgesamt in über 70
verschiedene Namen und Stoffe aufteilen. Beispiele sind Dextrose, Polydextrose,
Maltodextrin, Maltit Cyclamat, Glukose-Sirup, Traubensüße, Gerstenmalzextrakt,
Invertzuckersirup oder Süßungsmittel wie Xylit, Acesulfam oder Aspartam. Gerade
Süßungsmittel und kalorienfreie Süßstoffe wie Acesulfam und Aspartam machen
allerdings nicht zwingend schlank und können sogar Studien zufolge schädlich
sein, weil sie den Stoffwechsel und die Auskleidung der Blutgefäße ungünstig
verändern können. Dabei ist anzumerken, dass insbesondere bei Sucralose, Stevia
und Saccharin noch keine fundierten Kenntnisse existieren und es dringend
wissenschaftlicher Felduntersuchungen dazu bedarf. Die Deutsche Gesellschaft für
Ernährung (DGE) rät daher auch „statt Zucker durch Süßstoffe zu ersetzen
grundsätzlich auf ‚weniger süß‘ umzustellen“.
Die Grüne Jugend NRW fordert daher die Erweiterung der Nährwerttabelle mit einer
differenzierten Ampelkennzeichnung für Zucker, Fett und Salz, wie sie von
Verbraucherschützer*innen seit Jahren gefordert wird und damit eine
obligatorische Produktkennzeichnung mit einer verständlichen und vergleichbaren
Lebensmittelkennzeichnung. Dabei soll das dreigliedrige Ampelfarben-Schema von
„grün, gelb und rot“ mit dunkelgrün und orange erweitert werden, um deutlichere
Abstufungen vornehmen zu können und Zuckerbomben mit einem Blick eindeutig
identifizieren zu können.
Der visuelle Anreiz für Verbraucher*innen soll nach Meinung der Grünen Jugend
NRW dabei mit einem finanziellen Anreiz für die Hersteller*innen kombiniert
werden. Dem Wunsch der Mehrheit von 53 Prozent der Menschen in Deutschland
folgend, wie eine Umfrage von YouGov im Auftrag von foodwatch im Mai 2018 ergab,
setzt sich die Grüne Jugend NRW für eine Steuer auf überzuckerte Getränke ein.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfahl zum Welt-Adipositas-Tag bereits eine
solche Steuer von mindestens 20 Prozent. Vorstellbar wäre also etwa eine Steuer
von 20 Cent pro Liter für alle Getränke die mehr als fünf Gramm Zucker je 100
Milliliter enthalten.
Als Vorbild sieht die Grüne Jugend NRW Länder wie Berkeley (USA), Dänemark,
Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Mexiko und Ungarn wo bereits
Sondersteuern oder -abgaben auf Süßgetränke und Soft-Drinks oder bestimmte
Lebensmittelgruppen wie Schokolade, Zuckerwaren und Speiseeis oder besonders
kalorienreiche Produkte, wie z.B. sogenannte Junkfood-Produkte, existieren.
Diese Hersteller*innenabgaben können dann zweckgebunden in Präventionsprojekte
oder im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden. Dazu
gehört vor allem, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA),
wie es bereits im Präventionsgesetz vorgesehen ist, mit mehr Mitteln
ausgestattet wird.
Eine generell gerechtere oder andere Besteuerung von Lebensmitteln, welche
beispielsweise die Besteuerung von Mineralwasser mit 19 Prozent und eines
Schokoriegels mit sieben Prozent Mehrwertsteuer anpasst oder ausgleicht, ist
ebenso ein Ziel der Grünen Jugend NRW.
Die Tatsache, dass über fünf Millionen Menschen in der Lebensmittel- und
Zuckerbranche arbeiten, erfordert ein Gesamtkonzept, welches alle in die
Verantwortung nimmt, die bisherigen vereinzelten Maßnahmen wie in der
Adipositas-Prävention oder der Sportförderung zusammenführt, und allen gerecht
wird. Die Grüne Jugend NRW fordert in diesem Zuge auch eine höhere Bereitschaft
der Krankenkassen bei der Kostenübernahme für chirurgische Eingriffe bei
Adipositas-Patient*innen. Magenverkleinerungen sind für die breite Bevölkerung
viel zu teuer und viele Medikamente gegen Adipositas benötigen ein immenses Maß
an weitergehender Forschung.
Langfristig muss es darum gehen, dass Konsument*innen weniger Süßes nachfragen,
wie es das ife, Institut für Ernährungswirtschaft, empfiehlt. Wobei
Zuckerreduktion dazu führen kann, dass mehr gegessen wird und damit mehr
Kalorien als vorher aufgenommen wird. Es muss deutlich sein, dass
zuckerreduziert nicht unbedingt kalorienreduziert bedeutet. Für ein gelingendes
Gesamtkonzept gilt es daher auch gesundheitsrelevante Verhaltensweisen abhängig
von strukturellen Bedingungen und Umweltfaktoren zu begreifen und Ansätze zu
finden, welche auch die Beschaffenheit der Wohnumgebung, der
Einzelhandelskonstellation vor Ort, Grünflächen, Spielplätze, Sportangebote, und
Verkehr sowie Sicherheit in Betracht ziehen. Existierende Zucker-Alternativen
müssen unterstützt, ausgebaut und gefördert werden und die Tatsache, dass
Fertigprodukte im Vergleich zu Rohwaren oft teurer sind, genutzt werden, um
frische Lebensmittel und eigenes Kochen zu bewerben. Gleichzeitig müssen gesunde
und nachhaltig produzierte Lebensmittel weiter gefördert werden und auch
finanziell für jeden Mitmenschen in einem ausreichenden Maße erschwinglich sein.
Bei der Betrachtung der bisherigen Folgen in den anderen Ländern fällt auf, dass
einige Hersteller*innen den Zuckergehalt, beispielsweise bei Softdrinks, auf
knapp unter den Grenzwert gesenkt und den Rest durch diverse Süßstoffe ersetzt
haben. Laut einer Studie des britischen Gesundheitsministeriums ist der
Zuckeranteil in Softdrinks zwar um zwölf Prozent zurückgegangen, aber in einem
vergleichbaren Verhältnis der Anteil an Ersatzstoffen gestiegen. Ebenfalls ist
festzuhalten, dass die Absatzzahlen von Süßgetränken und -essen nach Einführung
der Steuern beispielsweise in Berkeley, Mexiko und Ungarn bereits gesunken sind.
In Berkeley oder auch Mexiko nahm parallel der Konsum von Wasser zu. Die Grüne
Jugend NRW fordert in diesem Zusammenhang neben der Einführung einer Steuer auf
Zucker auch eine vergleichbare Steuer auf alle Süßungsmittel, um substituierende
Effekte zu vermeiden.
Ebenso soll ein staatliches Monitoring der Auswirkungen auf die Rezepturen der
Lebensmittelproduzent*innen und die Absatzzahlen durchgeführt werden, um die
tatsächlichen Auswirkungen eines neuen Steuersystems evaluieren, begleiten und
mittelfristig Anpassungen vornehmen zu können.
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