Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Herbst 2023 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 8 Verschiedene Anträge |
Antragsteller*in: | AK für Inklusion und gegen Ableismus (dort beschlossen am: 30.10.2023) |
Status: | Eingereicht |
Verfahrensvorschlag: | Abstimmung |
Eingereicht: | 31.10.2023, 23:26 |
V8: Psychotherapie für marginalisierte Gruppen
Antragstext
In Deutschland eine Psychotherapie zu machen, ist mit vielen Herausforderungen
verbunden.
So gibt es zu wenige Plätze, die Wartezeiten sind lang, es gibt wenig
Möglichkeiten, zu wechseln.
Besonders schwierig ist es für marginalisierte Menschen, eine Psychotherapie zu
machen.
Zu den Gruppen, deren Zugang zu Psychotherapie stark eingeschränkt ist, zählen:
- queere/LGBTQIANP+ Menschen, insbesondere für trans*, nichtbinäre, agender
und a*spec Personen
- behinderte und neurodivergente Menschen
- Systeme [Systeme = Mehrere Personen in einem Körper, auch als Pluralität
bekannt. Jede Person kann ihren eigenen Namen, Geschlecht, Sexualität,
Alter, Erinnerung usw. haben. Da jedes Gehirn einzigartig ist, ist jede
Art der Pluralität anders.]
- BI_PoC
- Menschen, die im ländlichen Raum wohnen
Was es braucht:
- Barrierefreiheit
Heute kommen viele gehbehinderte Menschen gar nicht in die psychotherapeutischen
Praxen rein, weil sie nur über Stufen und Treppen zu erreichen sind.
Außerdem ist es für Menschen mit Lernschwierigkeiten sehr schwer, eine Therapie
zu machen, weil kaum Therapeut*innen die Therapie in Leichter oder zumindest
Einfacher Sprache anbieten können.
- Mehrsprachigkeit
Es ist besonders hilfreich, eine Therapie in der Sprache machen zu können, in
der wir uns am besten ausdrücken können. In Deutschland haben viele Menschen,
die noch nicht so gut Deutsch sprechen, und gebärdensprachliche Taube Menschen
nicht diese Möglichkeit und müssen eine Therapie mitunter mit Dolmetscher*innen
machen.
Das ist für das therapeutische Setting nicht unbedingt förderlich, ist es doch
oft schon schwer genug, sich einer Person gegenüber zu öffnen/rw.
Es würde also sehr helfen, wenn es mehr mehrsprachige Therapeut*innen geben
würde, die auch in anderen Sprachen eine Therapie anbieten können.
- Mehr queere/LGBTQIANP+, behinderte, BI_PoC Therapeut*innen
Neben der reinen Zugänglichkeit brauchen wir auch mehr Therapeut*innen, die eine
bestimmte gesellschaftliche Lebensrealität teilen. Ohne ein Verständnis für
marginalisierte Lebensrealität ist es schwerer, marginalisierten Menschen
therapeutisch zu helfen.
Warum gibt es heute so wenige queere/LGBTQIANP+, behinderte, BI_PoC, arme...
Therapeut*innen?
Es ist super schwer, Psychotherapeut*in zu werden. Bis zur Umstellung des
Studienganges und der Ausbildung 2021 mussten angehende Therapeut*innen die
mindestens 3-jährige Ausbildung selber zahlen. Da kamen mitunter 30.000€ auf die
Menschen zu. Das schließt schon mal super viele Menschen aus. Bei der neuen
Ausbildung werden die Kosten übernommen, die Psychotherapeut*innen in Ausbildung
bekommen etwa 1000€ im Monat. Wir müssen uns klar machen, dass die
Psychotherapeut*innen in Ausbildung bereits ein Bachelor- und Master-Studium
hinter sich haben. Dafür sind 1000€ im Monat natürlich viel zu wenig.
Auch die Länge des Studiums plus die Länge der Ausbildung - zusammen nach
Regelstudienzeit 10 Jahre - schließen viele arme, chronisch kranke, behinderte
Menschen und Menschen, die Care-Arbeit leisten, aus.
Trotz des klaren Psychotherapeut*innenmangels gibt es nach wie vor zu wenige
Plätze in Studium und Ausbildung. Es gibt keine gute Übergangsregelung für
Menschen, die vor der Umstellung 2021 mit dem Studium begonnen haben. Sie müssen
meistens das Studium und die "alte Ausbildung" abschließen - und eben die
30.000€ aufbringen.
Der sehr hohe NC (etwa 1,0 bis 1,4) sortiert insbesondere marginalisierte
Menschen aus, da unser aktuelles Bildungssystem sehr ungerecht ist.
- Update des Studiums und der Ausbildung
Heute wird im Psychologie-Studium Diskriminierung reproduziert.
Bei den Lehr-Inhalten muss geprüft werden, welche Perspektive dargestellt (ist
es wieder eine privilegierte Perspektive?), inwiefern Diskriminierung
reproduziert und geschichtliche Unterdrückung nicht als solche benannt wird.
Außerdem soll im Studium und in der Ausbildung mehr Wissen zu
- Diskriminierungsformen (Ableismus, Rassismus, Klassismus,
Queerfeindlichkeit, Sexismus...)
- queeren/LGBTQIANP+ Orientierungen, Identitäten und Labeln
- Amatonormativität, Allonormativität, Cisnormativität, Heteronormativität
und weitere konstruierte Normativitäten, sowie deren Auswirkungen
- dem Cis-endo-hetero-allo-amato-allistischen-Patriarchat und dessen
Auswirkungen
- Vielfältigen Lebensmodellen und -wirklichkeiten
- Diskriminierung von psychisch kranken Menschen (Mentalismus)
- Communityausdrücke / weniger pathologisierende Sprache
- Intersektionaliät
- Komorbiditäten
- dazu, dass auch Jugendliche und Kinder Erkrankungen haben können, die
typischerweise Älteren zugeschrieben werden
vermittelt werden.
Wer zur Therapie geht und dort Diskriminierung, fehlende Sensibilität und
Absprechen von Erfahrungen erlebt, kann im Zweifel in schlechterem Zustand aus
dieser wieder raus gehen. Das, obwohl Therapie eigentlich helfen soll. Ohne
entsprechendes Wissen, fehlt Therapeut*innen das Bewusstsein und die
Sensibilität für verschiedene Themen. Deshalb muss im Studium entsprechend mehr
Wissen vermittelt werden.
Es braucht Therapeut*innen, die beispielsweise um die romantische, sexuelle und
geschlechtliche Vielfalt wissen und Bewusstsein dahingehend mitbringen. Dazu
zählt beispielsweise Nichtbinär-Feindlichkeit, Ace-Feindlichkeit und Aro-
Feindlichkeit als solche erkennen zu können und nicht zu reproduzieren.
Viel zu oft werden gerade bi*, trans*, nichtbinäre, agender, a*spec und poly*
Personen in Therapiekontexten diskriminiert. Sie werden pathologisiert, ihnen
werden ihre Identitäten abgesprochen und es wird versucht sie zu heilen. Wer als
Therapeut*in Asexualität und Aromantik beispielsweise kennt, anerkennt und
respektiert, wird nicht unbewusst oder unabsichtlich die Gründe dafür suchen und
therapieren wollen, also quasi eine Konversionstherapie versuchen.
- Neue Bedarfsplanung
Die Krankenkassen müssen endlich mehr Zulassungen für ambulante
Psychotherapeut*innen beschließen.
Dafür muss die Bedarfsplanung erheblich und zeitnah überarbeitet werden.
- Mehr Therapieplätze für TINA* Menschen und Menschen mit Transitionswunsch
Wer in Deutschland transitionieren will, also geschlechtsbestätigende Maßnahmen
wünscht, muss zwangsweise zuvor in Psychotherapeutischer Behandlung sein. Das
Problem daran: es gibt viel zu wenig Therapeut*innen und Praxen, die darauf
spezialisiert sind und/oder bereit sind sich in das Thema einzulesen. Deshalb
müssen TINA* Menschen oft stundenlange Fahrten zu entsprechenden Therapeut*innen
auf sich nehmen, wenn sie überhaupt einen Platz bekommen. Denn die Wartelisten
sind oft auf ein oder mehr Jahre hinaus geschlossen. Dadurch wird das Leiden von
Menschen mit Transitionswunsch unnötig verlängert und auch die Transition
unnötig aufgeschoben. Deshalb braucht es dringend mehr Therapieplätze für TINA*
Menschen und Menschen mit Transitionswunsch.
- Notfall-Plätze bei den Therapeut*innen
Menschen müssen in akuten Krisen auch dann ambulant Hilfe bekommen, wenn sie
(noch) keinen festen Psychotherapie-Platz haben.
- Bedarfsorierentiert
Die Rahmenbedingungen einer Psychotherapie müssen flexibler auf die Bedürfnisse
der Patient*innen angepasst werden können. So muss es möglich sein, mehrmals die
Woche zur Psychotherapie zu gehen.
Zudem muss Therapie, auch solche mit speziellem Fokus und/oder Spezialisierung,
für alle erreichbar sein. Gerade auf dem Land ist dies keineswegs gegeben. Daher
muss das Angebot an online Therapie(stunden) massiv aufgestockt und ausgebaut
werden. Für das Einlesen von Gesundheitskarten müssen praktikable Lösungen her,
damit Patient*inenn nicht jedes Quartal ihre Karte in Person einlesen lassen
müssen.
- Sperre weg
Heute werden Menschen nach einer gewissen Anzahl von genehmigten Psychotherapie-
Sitzungen für eine gewisse Anzahl von Monaten oder Jahren (meistens 6 Monate bis
2 Jahre) gesperrt. In dieser Zeit übernehmen die Krankenkassen keine Kosten für
eine Psychotherapie.
Das ist oft eine Katastrophe für die gesperrten Menschen, die so eine
unfreiwillige Therapiepause sehr destabilisieren kann.
- Keine Therapiebeendigung gegen Patient*innenwillen
Dass Therapien von Seiten der therapierenden Person als beendet erklärt werden,
obwohl Patient*innen weiter in Therapie bleiben möchte, ist Realität. Die einen
sind nicht "krank genug" und bekommen erst Therapie, wenn sich ihr Zustand
verschlechtert hat. Die anderen sind "zu krank" und Therapeut*innen sehen von
ihrer Seite kein Potenzial für Besserung. In beiden Fällen fallen Patient*innen
durch's Raster/rw. Sie werden vom System allein gelassen und das teilweise,
obwohl sie weiter Therapie haben möchten. Therapeut*innen müssen
Patient*innenwünsche und -bedürfnisse berücksichtigen. Therapien dürfen nicht
gegen Patient*innenwillen komplett beendet werden. Wer Therapie nach eigenem
Empfinden braucht, muss Therapie auch erhalten können. Wenn ein*e Therapeut*in
sich die Therapie nicht mehr vorstellen kann, dann sollen Patient*innen ohne
großen Aufwand und ohne Nachteile den*die Therapeut*in wechseln können.
- Niedrigschwellige Meldemöglichkeiten von Diskriminierung
Insbesondere für marginalisierte Menschen sind Therapieplatzsuche und
Psychotherapie häufig mit Diskriminierung verbunden. Manche brechen die Suche /
Therapie deshalb ab. Manche müssen sich dem immer wieder aussetzen, weil sie die
Therapie dringend brauchen oder machen müssen. Nicht selten schaden und
destabilisieren Therapiestunden mehr als dass sie helfen.
Wer Diskriminierung durch Therapeut*innen melden will, muss zunächst
herausfinden wo und wie das geht. Das baut unnötige Hürden auf, die davon
abhalten Diskriminierung zu melden. Dadurch bleibt die Gefahr, dass das anderen
auch zustößt. Das muss geändert werden. Es braucht niedrigschwellige
barrierefreie Meldemöglichkeiten.
- Community Care (v.a. statt Psychiatrie)
Psychotherapie bringt nicht allen etwas. Vor allem haben nicht alle Zugang zu
Psychotherapie.
Und so kommt es oft dazu, dass Menschen in Psychiatrien eingewiesen werden, weil
sie keine Hilfe bekommen haben - nur hilft ein Psychiatrie-Aufenthalt auch nicht
unbedingt weiter.
Wir brauchen mehr Community Care, also gemeinschaftliches Aufeinander-Achten und
Füreinander-Da-Sein.
Unter Community Care fallen viele Angebote, die wir heute Peer-Angebote nennen
(nach dem Motto "Behinderte helfen Behinderten" usw).
Städte und Gemeinden sollen hierfür barrierefreie Räumlichkeiten kostenfrei zur
Verfügung stellen und auf Community Care Angebote aufmerksam machen.
Menschen sollen darüber informiert werden, dass es Alternativen zu
Psychotherapie und Psychiatrie-Aufenthalten gibt. Im Endeffekt geht es darum,
dass jede Person Zugang zu den Therapie- und Care-Angeboten hat, die ihr helfen.
Glossar
Diese Erklärungen und Definitionen wurden zum Zeitpunkt der Antragstellung nach
bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen. Sie erheben keinen Anspruch auf
zeitlich unbegrenzte Gültigkeit oder akkurat sein.
Wir kennzeichnen Sarkasmus mit "/sarkasmus" und andere Dinge, die wir nicht
wörtlich meinen, mit "/rw" (für Redewendung). Das hilft neurodivergenten
Menschen beim Lesen.
Bedarfsplanung = Die Bedarfsplanung legt fest, wie viele Ärzt*innen und
Psychotherapeut*innen sich wo in Deutschland niederlassen dürfen. Diese soll
sich eigentlich an den Bedarfen der gesetzlich Versicherten orientieren. Das
letzte Update der Bedarfsplanung gab es 2019:
Ambulant = das Gegenteil von stationär, Menschen sind nicht über Nacht in der
Einrichtung oder Klinik.
Marginalisiert = Marginalisierung bedeutet „an den Rand drängen“ und bezieht
sich sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn auf soziale Prozesse,
bei denen benachteiligte Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Intersektionalität = Intersektionalität beschreibt die Verschränkung
(Intersektion) von Diskriminierungsformen. Um die Lebensrealität von Menschen,
die von mehr als einer Diskriminierungsform betroffen sind, darzustellen, können
die einzelnen Diskriminierungsformen nicht einfach getrennt oder addiert werden.
So entstehen durch die Verschränkung eigene Formen der Diskriminierung.
Ableismus = Diskriminierung von behinderten, chronisch kranken, psychisch
kranken, neurodivergenten und oder Tauben Menschen
Behinderte Identitäten
Neurodivergente Menschen denken und fühlen anders und nehmen die Welt anders
wahr als die gesellschaftliche Norm.
Es ist umstritten, welche Gruppen alle in das neurodivergente Spektrum fallen.
Wir nennen einige Beispiele:
- autistische Menschen
- Menschen mit ADHS
- Menschen mit Dyslexie ("Lese-Rechtschreib-Schwäche")
- Menschen mit Dyskalkulie ("Rechen-Schwäche")
- chronischen psychischen Erkrankungen
- Menschen mit Lernschwierigkeiten
Komorbidität = Wenn ein Mensch gleichzeitig mehrere Erkrankungen hat, die sich
natürlich auch überlagern und miteinander verwoben sein können.
Leichte Sprache - Einfache Sprache
Leichte Sprache ist eine Form des Deutschen mit klaren Regeln.
Bei Einfacher Sprache orientieren wir uns dagegen an Richtlinien, um etwas so
einfach und so gut verständlich wie möglich auszudrücken
Gebärdensprache = Gebärdensprache ist nicht universell. Viele Länder haben ihre
eigene Gebärdensprache, in Deutschland wäre das Deutsche Gebärdensprache, kurz
DGS.
BI_PoC = Black (Schwarz), Indigen, People of Color, also Menschen, die von
Rassismus betroffen sind
Queere Identitäten
LGBTQIANP+
- L = lesbisch
- G = gay (schwul), genderfluid, genderqueer
- B = bi* (bisexuell, biromantisch, bigender und weitere)
- T = trans*, Two-Spirit
- Q = queer, questioning
- I = inter*
- A = a*spec (asexuell, aromantisch, aplatonisch, asensuell, anästhetisch,
agender und weitere)
- N = nicht-binär
- P = pan* (pansexuell, panromantisch, pangender und weitere), poly*
(polyamor, polysexuell, polyromantisch und weitere)
TINA* = trans*, inter*, nicht-binär und agender
Poly*= poly* bedeutet "mehrere". Darunter fallen in LGBTQIANP+ Kontexten
Menschen, die zu mehreren, aber nicht notwendigerweise allen Geschlechtern
sexuelle oder romantische Anziehung verspüren (polysexuell bzw. polyromantisch),
und Menschen, die gleichzeitig Beziehungen zu mehr als einer Person haben
(möchten) oder sich das vorstellen können (polyamorös).
a*spec = Überbegriff für das Asexuelle, Aromantische, Aplatonische, Asensuelle,
Anästhetische, Agender und weitere A*-Spektren
Asexualität = Eine sexuelle Orientierung, die ein von der Norm abweichendes
Erleben von Sexualität und / oder sexuellen Beziehungen beschreibt. Dazu zählen
zum Beispiel die (gänzliche/zeitweise/nahezu komplette/...) Abwesenheit
sexueller Anziehung und der fehlende oder kaum vorhandene Wunsch nach sexuellen
Beziehungen und sexuell konnotierten Handlungen. Asexualität bedeutet nicht,
dass eine Person keinen Sex oder sexuelle Beziehungen haben kann.
Aromantik = Eine romantische Orientierung, die ein von der Norm abweichendes
Erleben von Romantik und / oder romantischen Beziehungen beschreibt. Dazu zählen
zum Beispiel die (gänzliche/zeitweise/nahezu komplette/...) Abwesenheit
romantischer Anziehung und der fehlende oder kaum vorhandene Wunsch nach
romantischen Beziehungen und romantisch konnotierten Handlungen. Aromantik
bedeutet nicht, dass eine Person keine romantische Beziehung haben kann oder
romantische Gesten nicht mag.
Aplatonisch = Eine platonische Orientierung, die ein von der Norm abweichendes
Erleben von Platonik und / oder platonischer Anziehung beschreibt. Dazu zählen
zum Beispiel die (gänzliche/zeitweise/nahezu komplette/...) Abwesenheit
platonischer Anziehung oder das Konzept platonischer Liebe nicht zu verstehen.
Aplatonik bedeutet nicht, dass eine Person keine Freund*innenschaften hat oder
möchte, auch wenn solche ebenfalls aplatonisch sein können.
Asensuell = Eine sensuelle Orientierung, die ein von der Norm abweichendes
Erleben von Sensualität und / oder sensueller Anziehung beschreibt. Dazu zählen
zum Beispiel die (gänzliche/zeitweise/nahezu komplette/...) Abwesenheit
sensueller Anziehung oder der fehlende oder kaum vorhandene Wunsch nach
sensuellem Kontakt.
Unter sensuellen Kontakt kann zum Beispiel Händchen halten, kuscheln, umarmen
und anderweitige körperliche Nähe fallen.
Anästhetisch = Eine ästhetische Orientierung, die ein von der Norm abweichendes
Erleben von Ästhetik und / oder ästhetischer Anziehung beschreibt. Dazu zählen
zum Beispiel die (gänzliche/zeitweise/nahezu komplette/...) Abwesenheit
ästhetischer Anziehung. Ästhetische Anziehung kann zum Beispiel bedeuten, eine
bestimmte Person (längere Zeit/immer wieder/...) anschauen zu wollen.
Nichtbinär und agender = (Nicht-)Geschlechtliche Identitäten, für Menschen, auf
die die Bezeichnung „Frau“ bzw. „Mädchen“ oder „Mann“ bzw. „Junge“ nicht, nicht
ausreichend oder nicht dauerhaft zutrifft oder die eine Einordnung grundsätzlich
ablehnen. Viele, aber nicht alle, nichtbinären bzw. agender Menschen sind trans*
oder inter* oder beides.
Warum nennen wir a*spec Personen extra?
Asexualität und Aromantik werden in der Psychotherapie mitunter zu "Symptomen"
psychischer Erkrankungen erklärt und damit als krankhaft oder heilbedürftig
dargestellt. Zudem bezeichnet a*spec das gesamte Spektrum von A*-Identitäten,
von dem Asexualität und Aromantik ein Teil sind.
Ace-Feindlichkeit = Feindlichkeit und Diskriminierung gegenüber asexuellen
Menschen / Menschen auf dem asexuellen Spektrum
Aro-Feindlichkeit= Feindlichkeit und Diskriminierung gegenüber aromantischen
Menschen / Menschen auf dem aromantischen Spektrum
Pathologisierung = etwas als Krankheit oder krankhaft darstellen
Konversionstherapie= "Therapien", die das Ziel verfolgen, Menschen von
angeborenen Eigenschaften zu "heilen" oder diese zu überwinden, betroffen sind
viele queere/LGBTQIANP+ Menschen und neurodivergente Menschen
Amatonormativität = Der Begriff der Amatonormativität geht auf Elizabeth Brake
zurück und beschreibt die Überzeugung, dass romantische Beziehungen
grundsätzlich wichtiger/wertvoller als andere Arten von Beziehungen (zum
Beispiel Freundschaften) sind. Daraus folgt, dann oft die Annahme, dass alle
Menschen diese unterhalten oder zumindest anstreben sollten. Diese Ansicht ist
besonders für aromantische Menschen problematisch.
Allonormativität = Der Begriff bezeichnet die gesellschaftlich weit verbreitete
Annahme, dass jede Person sexuelles Verlangen empfindet und dieses Verlangen
ausleben möchte. Sex wird dabei oft als die höchste Form der Intimität
angesehen, und es wird angezweifelt, dass eins ohne Sex wirkliche Intimität
erleben oder eine erfüllte Beziehung dauerhaft führen kann.
Cisnormativität = Beschreibt die gesellschaftlich weit verbreitete Annahme, dass
sich jede Person mit dem Geschlecht, das ihr bei der Geburt, meist aufgrund
äußerer Geschlechtsmerkmale, zugewiesen wurde identifiziert und/oder dem
zugehörig fühlt. Damit gehen die Unsichtbarmachung und Abwertung von Menschen,
die nicht cis sind, also TINA* Menschen, einher.
Heteronormativität = Beschreibt die gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass
alle Menschen cisgeschlechtlich und heterosexuell wären. Heteronormativität
beinhaltet die Annahme, dass jeder Person ein binäres Geschlecht (also männlich
oder weiblich) zugewiesen werden kann. Dieses könne bereits bei der Geburt an
den Genitalien abgelesen werden. Außerdem besteht die Annahme, dass die
Geschlechter sich grundlegend voneinander unterscheiden und Menschen sich
romantisch und sexuell vom anderen Geschlecht angezogen fühlen. Es sollen sich
also (cis) Männer nur zu (cis) Frauen hingezogen fühlen und umgekehrt.
Abweichungen von dieser Norm wie beispielsweise queere Beziehungen oder trans*
Personen werden als nicht "normal" wahrgenommen, unsichtbar gemacht und
diskriminiert. Auch abweichende Beziehungsformen wie offene Beziehungen oder
queerplatonische Beziehungen werden abgewertet.
Cis-endo-hetero-allo-amato-allistischen-Patriarchat = Ein System von Macht und
Kontrolle, das weiße cis Männer, die dyadisch (nicht inter*) sind, heterosexuell
und -romantisch und nicht behindert, nicht neurodivergent, nicht chronisch oder
psychisch krank sind an die Spitze stellt und als "Norm" positioniert.
Transition = Was das genau für Personen heißt, ist individuell. Transition
bezeichnet generell den Übergang oder Weg zu einem anderen (Nicht-)Geschlecht.
Es gibt verschiedene Formen von Transitionen. Bei der medizinischen Transition,
können zum Beispiel eine Hormontherapie oder körperliche Eingriffe gewünscht
sein. Bei einer sozialen Transition geht es darum im Alltag als das korrekte
(Nicht-)Geschlecht unterwegs zu sein und im besten Fall anerkannt zu werden. Mit
einer juristischen Transition sind Vornamens- und Personenstandsänderungen
gemeint.
NC = Numerus Clausus, der NC ist eine Zulassungsbeschränkung für Universitäten.
Der NC beruht hauptsächlich auf der Abitur-Durchschnittsnote. Viele Studiengänge
haben einen NC, also einen Durchschnitt, der nicht größer als die angegebene
Zahl ist.
Für Studiengänge wie Medizin, Psychologie, Pharmazie und Jura ist der NC sehr
hoch (bzw. niedrig) und liegt etwa zwischen 1,0 und 1,4.
Begründung
Viele kennen die Suche nach Psychotherapie vermutlich als etwas sehr Langatmiges und Frustrierendes. Mit einer Überweisung ist erst der erste von vielen mühsamen Schritten getan, denn es fehlen von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlte Therapieplätze an allen Ecken und Enden/rw. Dabei ist eine Therapie in der Regel etwas, was möglichst schnell beginnen sollte, um Patient*innen zu helfen. Wochen-, monate- oder jahrelang auf einen Therapieplatz warten zu müssen,stellt unserem Gesundheitswesen ein sehr schlechtes Zeugnis aus/rw.
Selbst die Menschen, die die Kraft haben, Anruf um Anruf zu machen, Therapeut*in nach Therapeut*in abzuklappern/rw, müssen nicht selten einiges an Wartezeit auf sich nehmen. Kommen dann noch Themen wie ein Transitionswunsch hinzu, kann die Wartezeit auch Mal zwei Jahre übersteigen. Denn neben dem generellen Therapieplatzmangel herrscht ein noch größerer Mangel an Therapeut*innen, die Menschen mit Transitionswunsch begleiten und respektvoll behandeln. Immer wieder erzählen besonders marginalisierte Menschen von unschönen, belastenden und grenzüberschreitenden Vorfällen. Ein Therapieplatzwechsel ist da nicht immer möglich, sei es weil es keine*n andere*n erreichbare*n Therapeut*in gibt, weil die Wartelisten ewig im Voraus ausgebucht sein. Sei es, weil es keine ÖPNV-Verbindung gibt, weil ausgefallene Stunden von Patient*innen bezahlt werden müssen oder weil sie Angst vor Therapeut*innen haben oder sogar Trauma. Die möglichen Gründe sind vielfältig.
Das muss sich endlich ändern! BI_PoC, behinderte, neurodivergente, queere/LGBTQIANP+ und andere marginalisierte Menschen müssen endlich adäquate, respektvolle, erreichbare und barrierefreie Therapieplätze zeitnah bekommen können.
Es braucht barrierefrei zugängliche Therapien. Die Treppen nicht nehmen zu können, darf kein Grund sein, weshalb Menschen keine Therapie machen können. Dazu gehört auch, dass wir mehr Therapeut*innen und / oder Dolmetscher*innen brauchen, die Therapie in Deutscher Gebärdensprache möglich machen.
Arme, chronisch kranke, behinderte, queere/LGBTQIANP+ und oder BI_PoC Menschen sind häufiger nicht in der Lage, die Studiengebühren zu stemmen /rw, erfahren Diskriminierung oder können im aktuellen Bildungssystem diesen Beruf aus anderen Gründen nicht erlernen. Beispielsweise ist in Deutschland die Erwerbslosenquote der erwerbsfähigen trans* Menschen fünfmal höher als der Landesweite Durchschnitt. Trans* Menschen sind überdurchschnittlich häufig von Armut betroffen.
Ein Update des Studiums und der Ausbildung sind überfällig und dringend nötig, damit weder angehende Psycholog*innen, noch Patient*innen darunter leiden müssen, dass bestimmte Themen, wie zum Beispiele rassistische Diagnosen oder Themen im Bereich TINA* nicht oder nicht adäquat in Studium und Ausbildung vorkommen.
Ebenso dringend ist eine erhebliche und zeitnahe Überarbeitung der Bedarfplanung. Es braucht mehr Zulassungen für ambulante Psychotherapeut*innen um frühzeitig mit Therapien beginnen zu können, statt erst lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen.
Daneben braucht es wesentlich mehr Therapieplätze für TINA* Menschen und Menschen mit Transitionswunsch. Die Anzahl der Berichte, dass monate- oder jahrelang auf einen Platz gewartet und gehofft werden muss - falls überhaupt einer zu finden ist - müssen endlich der Vergangenheit angehören. Das Leiden von Menschen mit Transitionswunsch so künstlich zu verlängern, ist inakzeptabel.
Außerdem unabdingbar sind mehr Notfall-Plätze bei den Therapeut*innen, dass Therapien flexibel an die Bedürfnisse von Patient*innen angepasst werden können und dass Therapie-Sperren abgeschafft werden. Weder das System noch einzelne Therapeut*innen können festlegen, wann eine Person keine Therapie mehr braucht - das kann nur die Person selber bestimmen. Der Bedarf an Theapie verschwindet nicht plötzlich, nur weil eine Sperre auferlegt wurde, im Gegenteil, so eine Sperre vergrößert oft den Leidensdruck und den Therapie-Bedarf. Ebenso wichtig ist, dass Therapien nicht gegen Patient*innenwillen komplett beendet werden dürfen. Ein Hürden-armer Wechsel muss auch möglich sein, wenn sich eine therapierende Person aus eigener Sicht keine Therapie mehr vorstellen kann.
Patient*innen wissen in vielen Fällen am besten, ob ihnen eine Therapie gut tut oder nicht und ob sie weiter nötig ist.
Neben all dem sind niedrigschwellige Meldemöglichkeiten von Diskriminierung im Kontext von Psychotherapien wichtig. Meldungen dürfen nicht daran scheitern, dass unbekannt ist wohin diese überhaupt gerichtet werden müssen, in welcher Form und welchem Umfang. Denn das birgt die Gefahr, dass weitere Personen Diskriminierung erleben.
Neben Psychotherapie spielt Community Care eine wichtige Rolle. Nicht allen Menschen bringt Psychotherapie etwas, und nicht alle haben Zugang dazu. Deshalb müssen Community Care-Angebote unterstützt werden.
Vor allem sollen alle Menschen Zugang zu den Therapie- und Care-Angeboten haben, die ihnen gut tun.
Änderungsanträge
- Globalalternative: V8-001 (Landesvorstand (dort beschlossen am: 08.11.2023), Eingereicht)